Ich Lieb Dich Nicht, Wenn Du Mich Liebst
die aus der Kapelle drang, klang melancholisch und wie ein böses Vorzeichen, und als sie näher kam, sah sie vor sich eine »bodenlose Grube«. Da sie der Grube nicht ausweichen konnte, fiel sie hinein, wobei sie eine so fürchterliche Angst erlebte, daà sie schweiÃgebadet aufwachte. Ihr UnterbewuÃtsein schickte ihr die klare, strenge Botschaft, Paul zu verlassen.
Während sich negativer Druck aufbaut, gelangt der Ãberlegene zu der Ãberzeugung, daà er/sie die Beziehung verlassen muÃ. Dort drauÃen muà es doch jemanden geben, der passender, klüger, lustiger, hübscher, sexuell attraktiver und anpassungsfähiger ist, jemand, der dauerhafte Leidenschaft erzeugt und nicht die Gefühle verwirrt. Er/sie grübelt über mögliche Kandidaten nach, und die Gedanken sind sehr schön â zu schön â¦
So schön, daà den Ãberlegenen plötzlich starke Schuldgefühle und der Gedanke, untreu zu sein, überfallen. Wie bei Miles:
»Der Gedanke, mit einer anderen Frau zu schlafen, wurde immer verlockender für mich, und ich hätte es wahrscheinlich schon früher getan, wenn ich mich nicht so mies dabei gefühlt hätte. Ich dachte darüber nach, was ich aufs Spiel setzte, welchen Ãrger das geben würde, die Komplikationen, daà es Beth fertigmachen würde. Und die kleineChloe ⦠Das Herz tat mir schon beim Gedanken daran weh.«
Wenn der Ãberlegene sich die wirklichen Konsequenzen vorstellt, die der Bruch der Beziehung zur Folge hätte, wird er/sie sentimental und nostalgisch. Immer dann, wenn Peg daran dachte, sich von Bill scheiden zu lassen, kamen ihr die Erinnerungen an ihre guten Zeiten in den Sinn.
»Ich dachte daran, wie glücklich wir waren, als wir unser erstes Haus kauften. Er war so stolz darauf, daà er mit mir aus dieser Wohnung ausziehen konnte. Oder an die schwierige Entbindung von unserem zweiten Sohn. Als ich aus der Narkose aufwachte, lag ich inmitten eines Blumenmeeres, und Bill stand da mit Bobby auf dem Arm und lächelte unter Tränen. Diese Ereignisse waren etwas ganz Besonderes.«
Schuldgefühle, Mitleid und Wehmut kommen zusammen und lassen das Pendel zur positiven Seite der Bindung ausschwingen. Manchmal ändert sich die Einstellung so schnell und entscheidend, daà der Ãberlegene kaum glauben kann, daà er/sie überhaupt je erwogen hat, den/die Unterlegene(n) zu verlassen. Jetzt richtet sich die Aufmerksamkeit auf die gemütliche Wärme der Beziehung und die verzweifelte Unsicherheit des Alleinlebens. Man denkt über das sehr reale Risiko von AIDS nach. Man fragt sich, ob es drauÃen wirklich jemanden gibt, der besser als der eigene Partner ist. Und wenn es so ist â wird es mit ihm/ihr klappen? Wahrscheinlich nicht. Man ermahnt sich selbst, nicht so gierig nach Liebe zu sein. Man könnte so leicht alles verlieren.
Jetzt verharrt das Pendel auf der »Haben«-Seite, bereitet den Ãberlegenen gewissermaÃen auf die Bindung vor. Das Verschwinden des Schuldgefühls verschafft willkommene Erleichterung, daà man sogar Augenblicke echten, spontanen Glücks empfindet. Man will nur noch diese positiven, liebevollen Gefühle festhalten.
Aber bald kommt eine andere Dynamik ins Spiel. Jetzt ist der Ãberlegene frei von den Schuldgefühlen und der Angst, die die Ãberlegung, gehen zu wollen, begleitet haben. Aber die alten Gedanken kehren Schritt für Schritt zurück. Man schaut sich denUnterlegenen erneut genau an: Es handelt sich immer noch um die gleiche Person mit den gleichen Eigenschaften. Plötzlich ist man nicht mehr so sicher, ob man sich zur Bindung entschlossen hat.
Will man bei dem Partner bleiben, weil man ihn/sie wirklich liebt oder weil man versucht, Schuldgefühlen und Angst zu entgehen? Verkauft man sich zu billig, wenn man bleibt? Jetzt werden die Versäumnisse des Unterlegenen so wenig anziehend wie nur je, und die Vorstellung, ihn/sie zu verlassen, kehrt zurück. Das Pendel ist wieder auf die negative Seite zurückgeschlagen. Nur daà man jetzt noch tiefer in der Beziehung verhaftet ist. Man fühlt sich noch eingeengter als je zuvor, und das Spiel fängt von vorne an.
Der ambivalente AusreiÃer
Wenn ein besonderer Umstand wie eine Schwangerschaft oder eine berufsbedingte Versetzung Druck auf eine Entscheidung ausübt, könnte das Pendel wild hin- und herschwingen. Für den
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