Ich mag dich immer noch, wie du bist - Liebe ist nicht die Antwort, sondern die Frage: Ich mag dich immer noch, wie du bist
schon mal hier bin, können wir ja auch nur einen Teller Nudeln essen …
»Ich weiß nicht, was er dir gesagt hat, aber er hat seine Entscheidung getroffen und ich stelle sie nicht infrage. Wir müssen sehen, was wird.«
»Er läuft vor dir weg …«
Lucas Vater seufzt und zuckt offensichtlich verblüfft mit den Schultern.
»Warum redet ihr nicht miteinander und versucht zu verstehen, ob …«
»Das haben wir ja. Und er hat mir ganz klar gesagt, was er denkt und was er von mir hält. Aber vielleicht weißt du das nicht.«
»Was denn?«
»Alice, ich weiß wirklich nicht, ob wir darüber sprechen sollten. Ich verstehe ja, was dich antreibt, aber ich würde es gerne dabei belassen.«
Schweigend stehen wir einander gegenüber. Er hat recht. Aber ich auch. Es ist mir noch nie so sinnlos vorgekommen, recht zu haben.
»Wie geht es Martina?«, fragt er mit der deutlichen Absicht, das Thema zu wechseln. »Ich habe ihr Video auf Myspace gesehen, das ist gar nicht schlecht.«
»Stimmt, so langsam hat sie Erfolg, sie hat jede Menge Downloads.«
»Na ja, sie hat eine gute Stimme, und außerdem ist sie ein hübsches Mädchen, das spielt natürlich auch eine Rolle. Und wie geht es deinem Vater?«
»So lala, er ist immer noch zu Hause und keiner weiß, ob die Fabrik wieder aufmacht oder nicht.«
»Das ist eine schlimme Geschichte, tut mir leid für dich.«
»Na ja, das geht auch vorbei, zumindest hoffen wir das. Und bis es so weit ist, habe ich beschlossen, mir einen Job zu suchen.«
»Ach ja, wirklich? Also, wenn du willst, du weißt ja, dass wir hier immer jemanden brauchen können, zumindest am Wochenende.«
»Ja, nein, also, vielen Dank, aber …«
»Du suchst also etwas anderes, vielleicht am Nachmittag …«
»Nein, also, eigentlich suche ich einen Wochenendjob, aber nein … Vielen Dank, ich hab da schon eine Idee.«
»Okay, aber wenn das nicht klappen sollte, dann denk nicht lange darüber nach. Ich meine es ernst. Du würdest uns sogar einen Gefallen tun. Überleg es dir.«
»Ja, danke … Aber ich habe praktisch schon eine Zusage.«
»Ach, wie schade. Hat Luca dir denn nichts gesagt? Er wusste, dass hier im Laden Personal gesucht wird. Ich hatte ihm vorgeschlagen, neben dem Studium hier zu arbeiten, aber dann … Na ja, den Rest kennst du ja.«
In diesem Augenblick scheint Lucas Vater zu begreifen, was wirklich hinter meiner etwas unbeholfenen Absage steckt, denn plötzlich schweigt er und verzieht den Mund zu einem bitteren Lächeln. »Ach so, klar, ich habe verstanden.«
»Es tut mir leid …«
»Nein, lass mal gut sein«, sagt er und hebt entschuldigend die Hände. »Du hast ja recht, aber jetzt muss ich mich wieder an die Arbeit machen.«
Am Abend, als ich wieder zu Hause bin, lese ich noch einmal die Definition von buddhistischer Liebe nach, die mich dazu gebracht hat, zu Lucas Vater zu gehen, um mit ihm zu reden. Ich frage mich, ob es wirklich möglich ist, vollkommen uneigennützig das Glück eines anderen Menschen zu wollen. Als ich mich dann schlafen lege, habe ich keine Antwort gefunden, sondern eine neue Frage, die mich beschäftigt.
11 Luca
Was ist Ihr Hauptcharakterzug?
Ihr Traum von Glück?
Wer oder was hätten Sie sein mögen?
Was verabscheuen Sie am meisten?
Ihr Lieblingsschriftsteller?
Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?
Ende des neunzehnten Jahrhunderts, noch als Jugendlicher, hat Marcel Proust einen persönlichen Fragebogen ausgefüllt, der später weltberühmt wurde. Ich habe ihn irgendwann zu Hause in einer Zeitschrift entdeckt und versuche ab und zu, mir diese Fragen zu beantworten. Im Internet habe ich herausgefunden, dass diese Art Test bei englischen Familien sehr angesagt war, auch ein beliebtes Gesellschaftsspiel unter Freunden, um sich besser kennenzulernen.
Die Frage, die mir im Moment im Kopf herumschwirrt, ist eine der letzten und der schwierigsten: Wie möchten Sie sterben?
Die habe ich immer übersprungen, oder besser gesagt, bis jetzt bin ich nach dem Ausschlussprinzip verfahren: nicht dement, nicht im Schlaf, nicht ertrinken … Jetzt ist der Moment gekommen, eine weitere Möglichkeit auszuschließen: nicht durch jemanden, der nachts in einer dunklen Seitengasse von San Francisco mit einer abgeschlagenen Flasche auf mich losgeht.
»Wie fühlst du dich?«, fragt die junge Frau, sie klingt immer noch erschrocken. »Du bist Italiener, richtig?«
Ich sehe ihr Gesicht ein wenig verschwommen vor mir, als hätte ich unter Wasser die
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