Ich mag dich immer noch, wie du bist - Liebe ist nicht die Antwort, sondern die Frage: Ich mag dich immer noch, wie du bist
während meine andere Hand auf ihren Busen gleitet. Jetzt ist ihr Kuss heiß und fest, ihre Zähne beißen kurz in meine Unterlippe, dann lässt sie los, während ihre Hände sich an meine Hüfte pressen. Jetzt ist es also so weit, denke ich.
»Schlafen wir miteinander«, sage ich und vergesse das Fragezeichen am Ende des Satzes.
Sie lächelt.
»Hast du ein Kondom?«, fragt sie mich.
Ich habe kein Kondom …
»Nein, verflucht, ich hab keins …«
»Lass nur, ich hab eins dabei«, sagt sie und setzt sich auf, wobei die Decke von ihrer Schulter rutscht. Sie beugt sich nach unten und nimmt ihre Handtasche hoch.
In diesem Moment sehe ich aus dem Augenwinkel das Bild, unser Bild. Ich kann nicht anders, ich muss mich umdrehen, es herausfordernd ansehen.
»Was ist los?«, fragt mich Dalila, als sie sieht, dass ich nicht bei der Sache bin.
»Nichts, gar nichts«, antworte ich, aber sie hat bemerkt, dass ich das Bild über dem Bett anstarre.
»Ich mag das Bild«, sagt sie, und ihr Seufzer lässt erkennen, dass sie alles begriffen hat. »Eins der wenigen Dinge, an die ich mich aus der Schule erinnere.«
»Mir gefällt es auch.«
»Die Zeiten der Anarchie«, flüstert sie mir zu und küsst mich.
»Der Harmonie«, korrigiere ich sie.
Sie lächelt.
»Was ist?«, frage ich sie.
» Au temps de l’anarchie , zur Zeit der Anarchie, so ist der eigentliche Titel. Auch wenn er ihn später geändert hat.«
»Warum hat er das getan?«
»Sonst hätte es nicht ausgestellt werden dürfen.«
44 Alice
»Marti, bitte, erzähl mir etwas mehr!«
»Ali, mehr ist nicht. Was soll ich dir also erzählen?«
Wir haben uns auf der Toilette des Hollywood getroffen, auf der Party der Plattenfirma, die im Februar Martinas erste Single herausbringen wird. Die Musik dringt gedämpft durch die Tür zur Toilette, wo ein paar Mädels auf dem Klodeckel Kokain schnupfen.
»Sag mir einfach … Was weiß ich … Mit wem er zusammen war, was er macht, wie es ihm geht«, bohre ich nach und wundere mich etwas über ihre Zurückhaltung.
»Ich hab dir doch schon gesagt, dass ich nur ihn getroffen habe«, sagt sie, aber es wirkt, als sei sie nicht ganz bei der Sache. »Es geht ihm gut und er hat dich nicht mit dem Mädchen betrogen, mit dem du ihn zusammen gesehen hast. Er hat sie nicht gevögelt.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein? Er kann dich doch genauso angelogen haben.«
Mir wird klar, dass meine Fragen allmählich nach emotionaler Paranoia klingen, so was in der Art von »alle haben sich gegen mich verschworen und verschweigen mir etwas«. Aber ich krieg es einfach nicht auf die Reihe, warum Martina mir nicht haarklein ihre Eindrücke erzählt.
»Alice, er hat nicht mit ihr geschlafen«, wiederholt sie energisch. »Und außerdem verstehe ich nicht, was dich das überhaupt noch interessiert.«
»Wie?! Marti, was redest du denn da?«
»Ich sage bloß, dass ich den Eindruck habe, dass du inzwischen deine Wahl getroffen hast. Du bist doch mit Guido hier, oder nicht?«
»Marti, das hat doch damit nichts zu tun.«
»Und ob das was damit zu tun hat, wenn du mit ihm ins Bett steigst.«
Dem kann ich nichts entgegensetzen. Ich frage mich, wann Martina sich zu einer dieser »Freundinnen mit dem moralischen Zeigefinger« entwickelt hat. Sie war doch sonst nicht so, nein, eigentlich war ich doch immer diejenige, die sie wegen ihrer Eskapaden angemacht hat. Aber das ist nicht der Punkt.
»Wir haben uns nur einmal geküsst«, sage ich, weil ich das Gefühl habe, mich rechtfertigen zu müssen. »Sonst nichts.«
»Ja, schon, aber jetzt bist du mit ihm hier, oder nicht?«
»Hör mal, wessen Freundin bist du eigentlich?«
»Ich bin mit euch beiden befreundet und ich sage bloß, wenn du beschlossen hast, mit Guido zusammen zu sein, dann solltest du das Luca sagen und ihn freigeben … Damit er tun und lassen kann, was er will.«
Martina sieht mich nicht an, während sie mir ihre Überlegungen an den Kopf wirft und mir deutlich zu verstehen gibt, warum sie sich weigert, mehr über ihren Aufenthalt in San Francisco zu berichten. Sie denkt, dass ich die Schlampe bin, weil ich einen anderen geküsst habe, ein einziges Mal, in einem schwachen Moment.
Martina zündet sich eine Zigarette an und ich verlasse türenknallend die Toilette. Ich stürme durch den Raum, wo jede Menge Menschen tanzen, und bin beinahe am Ausgang, als Guido mich aufhält.
»Hey, was ist denn los? Ist was passiert?«, fragt er mich und sucht meinen Blick.
»Martina
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