Ich muss dir etwas sagen
möglicherweise hatten Sie auch komplexere Absichten,
zum Beispiel: Ihr Gegenüber möge Sie mitsamt Ihrer Bitte
akzeptieren und außerdem mit Ihnen besprechen, was er
braucht, um Ihnen Ihre Bitte gewähren zu können.
Es geht hier vor allem um die Lücke, die gegebenenfalls
zwischen Ihren Absichten und den tatsächlichen Resultaten
klafft. Diese Lücke sollte so klein wie möglich sein. Dabei müssen wir bedenken, daß Menschen unvorhersehbar reagieren können. Es wird also oft eine Lücke geben - und deshalb immer die eine oder andere Überraschung.
Am besten geht mit solchen Überraschungen um, wer sich
nicht wundert, daß sie überhaupt vorkommen: Erwarten Sie das Unerwartete! Sie haben Ihr Bestes gegeben, den Bedürfnissen Ihres Gegenübers gerecht zu werden. Aber ähnlich wie ein
Golfspieler oft drei oder vier Schläge braucht, um den Ball vom Aufschlag bis zum Loch zu bugsieren, werden Sie sich den
tatsächlichen Reaktionen Ihres Gegenübers widmen und sich
dementsprechend verhalten müssen.
Eine Grundhaltung, die auf Kooperation mit dem Gegenüber
ausgerichtet ist, hilft hierbei am ehesten und eignet sich vorzüglich für konfliktscheue Menschen, denn Kooperation ist
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das Gegenteil von Konfrontation. Damit behalten Sie das Steuer in der Hand: Sie fassen streithafte Äußerungen Ihres
Gegenübers einfach als Teil seiner unbewußten Anstrengungen auf, sich Ihrer Position anzunähern.
Neue Hoffnung
Es kann ein großes Problem sein, wenn Sie den Eindruck
gewinnen, Ihr Gegenüber würde Sie absichtlich oder gar
böswillig mißverstehen. Sie haben sozusagen ein reines
Gewissen, und die Reaktion scheint Ihnen vollkommen
unpassend. Das legt den Schluß nahe, es geschehe mit Absicht, und Sie fühlen sich nun Ihrerseits verletzt oder beleidigt.
Je näher der andere Ihnen steht, desto größer ist das Problem.
Ob Geschäftspartner, Freund oder Liebhaber, man meint, sich gut verstehen zu können. Der Inbegriff von Nähe ist schließlich gegenseitiges Verständnis.
Doch meine Erfahrungen als Therapeut und das Resultat
meiner Forschung in diesem Bereich belegen: Je näher wir
einem Menschen stehen, desto seltener denken wir darüber
nach, wie wir ihm oder ihr eine unangenehme Wahrheit
eröffnen. Wir vertrauen darauf, daß die Vertrautheit den
Abgrund schon überbrücken wird, den unsere Worte eventuell auftun.
Wir handeln, als berechtige die große Nähe uns, alles einfach rauszulassen, ohne weiter darüber nachzudenken. So kommt es, daß wir gerade den Menschen, die wir am meisten lieben, ganz unbekümmert alles sagen, was uns wichtig scheint, und
schockiert sind, wenn plötzlich ein tiefer Abgrund gähnt
zwischen dem, was wir beabsichtigten, und der Reaktion, die wir tatsächlich bekommen.
Man sollte anderen die Wahrheit so sagen, wie man ihnen
Geschenke kauft. Je wichtiger sie einem sind, desto sorgfältiger die Auswahl. Die gleiche Sorgfalt gilt es auf seine Worte zu
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verwenden, wenn man eine Wahrheit ausspricht, die einem am Herzen liegt. Verständnis ist nirgendwo so wichtig wie bei denen, die uns am liebsten sind.
Die Lücke schließen und den Abgrund überbrücken
Wenn Sie Ihre Wahrheit erzählen und mit den Konsequenzen
umgehen, sollten Sie also immer ein Auge auf die Lücke haben zwischen der Art, wie Sie verstanden werden wollten und wie Sie am Ende verstanden worden sind. Gehen Sie immer davon
aus, daß der andere, auch wenn er Sie mißversteht, nach wie vor Ihr Partner bei der Suche nach Verständigung ist.
Das Ziel im Auge behalten
Sie sollten auch das Ziel immer im Auge behalten, das es
Ihnen ermöglichte, die eigene Wahrheit einer bestimmten
Kategorie zuzuordnen: „Ich möchte gerne, daß… du meine
Gefühle wahrnimmst”, „du einen Weg findest, mir meine Bitte zu gewähren”, „du mir vergibst”, „du annimmst, was ich dir erzähle” oder „du versuchst, dich zu ändern.” Dabei sollte man sich durch die Kluft zwischen den eigenen Absichten und dem, was tatsächlich geschieht, nicht aus dem Gleichgewicht bringen lassen. Da klafft also eine Lücke - na und? Meist geht es bei Kommunikation sowieso nur darum, Mißverständnisse
auszubügeln. Es bringt nichts, sich darüber aufzuregen oder sich deswegen Streß zu machen. Es ist einfach ein ganz natürlicher Prozeß.
Die Kraft positiver Ausdauer
Wenn Sie selber dranbleiben, ermöglichen Sie auch dem
anderen, dranzubleiben. Und genau dies ist einer der
wesentlichen Charakterzüge einer
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