Ich muss dir etwas sagen
gewissen Rahmen. Aber mindestens ebenso wichtig ist es, daß sie sich auf der gefühlsmäßigen Ebene frei fühlt, zu reagieren, wie sie will.
Darauf sollen Sie vielleicht hinweisen: „Ich kann dir nicht sagen, was du empfinden solltest. Du hast ein Recht darauf, dich so zu fühlen, wie du dich fühlst.”
Auch darin lag ein Fehler, den ich bei meiner Frau gemacht hatte. Ich war so erpicht darauf, die Geschichte
herunterzuspielen, daß ich ihr mit Nachdruck zu verstehen gab, eigentlich sei nur eine Art nonchalantes, verständnisvolles Achselzucken angebracht, da es sich ja um eine Lappalie
handelte. Jede andere Reaktion wäre also nicht nur übertrieben, sondern kritikwürdig. Und natürlich fühlte sie sich von meinen Worten in die Ecke gedrängt, und zwar so sehr, daß
nachzugeben demütigend gewesen wäre. Sie äußerte ihre
Gefühle daraufhin doppelt so stark, nur um mir zu zeigen, daß ich ihr nicht vorzuschreiben hatte, wie sie sich fühlen sollte.
Dem Betreffenden zu helfen, sich nicht in die Ecke gedrängt zu fühlen, ist besonders wichtig, wenn man eine Bitte äußern möchte, weil sich dieses Gefühl dabei am leichtesten aufdrängt.
Hier gilt es, zwei unangenehmen Konsequenzen aus dem Wege
zu gehen: Entweder bekommt man nicht, was man will, weil der Betreffende sich nur mit einem Nein frei fühlt oder weil er in seinem Innersten endlos damit hadert. Das ist das Ende so
mancher Freundschaft.
Man sollte also auf mehrere Optionen hinweisen. Wenn Sie
beispielsweise Geld borgen und die Beziehung nicht in Gefahr bringen möchten, müssen Sie dem anderen die Wahl lassen,
wieviel er Ihnen leihen will und zu welchen Konditionen.
Vielleicht erhalten Sie auf diese Weise nicht so viel Geld, wie Sie gerne hätte, aber Sie gewinnen damit, denn der andere fühlt sich auch weiterhin frei und die Beziehung gerät nicht unter Druck.
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Der andere fühlt sich an eine alte Auseinandersetzung
erinnert
Sie wollen Ihre Verlobte bitten, die Hochzeit noch ein wenig aufzuschieben. Stellen Sie sich drei Hintergrundsituationen vor: l: Die Eltern Ihrer Verlobten haben sich auf katastrophale Art getrennt, so daß sie befürchtet, ihre eigene Ehe könne auch so enden.
2: Die Eltern Ihrer Verlobten führen eine Bilderbuchehe, die im gesamten Bekanntenkreis als mustergültig gilt, und Ihre Verlobte fürchtet sich sehr, in der eigenen Ehe zu versagen.
3: Ihre Verlobte hatte früher eine sehr lange Beziehung, und ohne irgendein Vorzeichen ließ ihr damaliger Freund sie
plötzlich im Stich. Die Trennung war traumatisch, und sie hat große Angst, es könne ihr wieder geschehen.
Hier würden Sie Ihre Bitte um Aufschub sicher anders
formulieren und anders auf ihre Bedürfnisse eingehen.
Lösungsansätze
Es ist wichtig, was heute geschieht, klar von einem Geschehen in der Vergangenheit zu trennen. Bei einer katastrophalen
Scheidung der Eltern könnten Sie sagen: „Ich weiß, daß du die grausamen Streitereien und das Chaos, das deine Eltern
veranstaltet haben, nicht durchmachen möchtest. Aber ich
möchte mich nicht von dir trennen und habe das auch
keineswegs vor. Außerdem glaube und will ich, daß der
Aufschub unsere Beziehung vertieft und eine Trennung eher
unwahrscheinlich macht.”
Führen die Eltern eine Ehe wie im Bilderbuch, könnten Sie
sagen: „Ich weiß, wie sehr du dir wünschst, auch eine so gute Ehe wie deine Eltern zu führen, und ich verstehe, wie sehr dich meine Bitte enttäuscht. Aber ich halte unsere Beziehung
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mindestens für genauso gut wie ihre und hoffe, unsere Ehe wird es auch. Ich will auf jeden Fall alles dafür tun. Und das ist auch der Sinn dieses Aufschubs: Ich werde besser vorbereitet sein, wenn wir uns das Jawort geben.”
Wurde sie von ihrem vorigen Partner im Stich gelassen, so
könnten Sie sagen: „Ich weiß, wie weh es dir getan hat, als Sam dich plötzlich fallenließ, und ich verstehe auch, wenn du
vielleicht meinst, daß dieser Aufschub dazu führen könnte. Aber dem ist nicht so. Sam konnte nicht um Dinge bitten, die er brauchte, aber ich kann das, und das bedeutet, daß ich nicht einfach davonlaufen muß, wenn ich nicht bekomme, was ich
gern hätte.”
In allen Fällen wurde die Vergangenheit unmittelbar
angesprochen und „unschädlich” gemacht: Die Vergangenheit
ist anders als die Gegenwart!
Der andere fühlt sich hilflos
So überraschend es vielleicht klingt, aber Hilflosigkeit hat etwas mit Vertrautheit zu tun. Vertraute Dinge und
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