Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
Eigenwilligkeit auf dem Spielfeld – zum Beispiel durch eine Rote Karte – riskiert. Und damit wiederum Ärger mit den Vereinen.
Früher gab es 72 Mark pro Spiel und die Schiris haben während der Zugfahrt Doppelkopf gespielt und sich auf ein tolles Fußballwochenende gefreut. Sie hatten einen unglaublich stark entwickelten Korpsgeist. Niemand wird sich diese Zeit zurückwünschen – oder eben gerade –, denn das waren die Kindertage des Fußballs. Die Zeit kerniger Typen wie Volker Roth ist heute endgültig vorüber. Man wird sehen, ob das zum Guten des Sports war.
Meine Zeit war auch abgelaufen. Ich wollte keine Rückkehr, die auf Mitleid basiert oder auf Druck von außen. Ich wollte nicht, dass man mich mit Samthandschuhen anfasste. Dazu bin ich zu stolz. Und ich wollte auch nicht zurück in eine krank machende Umgebung, in der Menschen so wenig zählen, sondern nur Konkurrenz, Leistungsdruck, Machtintrigen und Erfolg. Und somit fiel die endgültige Entscheidung zwar schweren Herzens – aber sehr entschlossen.
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Am 17. April 2012 reichte ich meinen Rücktritt bei der Schiedsrichterkommission ein, obwohl ich noch knapp sechs Jahre aufgrund der Altersgrenze hätte pfeifen können. Ich habe in diesem Schreiben sehr emotional und in äußerst aufgewühlter Stimmung meine Verletzungen beschrieben, die Anfeindungen und Zurücksetzungen, wie ich sie durch meine Chefs erlebt hatte. Was ich Fandel und Krug geschrieben habe, steht in diesem Buch ausführlich beschrieben und jeder kann es lesen. Eine offizielle Antwort seitens der Schiedsrichterkommission gab es nicht. Deshalb veröffentliche ich nachfolgend die separaten Antworten von zweien ihrer prominentesten Mitglieder. Die persönlich und nachdenklich gehaltene Antwort von Herbert Fandel lässt Selbstkritik erkennen. Die Reaktion von Helmut Krug hingegen fällt deutlich nüchterner aus und war für mich erneut enttäuschend und verletzend.
Herbert Fandel schrieb:
Lieber Babak,
schön, etwas von Dir zu hören, auch wenn mich der Inhalt Deines Schreibens sehr nachdenklich macht.
Von Anfang an war es mein Bestreben, das Schiedsrichterwesen gerecht, menschlich und nachvollziehbar zu führen. Die ersten Monate und Jahre meiner neuen Tätigkeit waren auch für mich sehr belastend. Der mediale Sturm, der aus verschiedensten Gründen über uns hinwegfegte, bedeutete auch für mich als Vorsitzenden eine bis dahin nicht gekannte Belastung. Vielleicht fehlte in diesen schwierigen Zeiten von meiner Seite ein wenig die Sensibilität, um auf Einzelne und Einzelnes intensiv einzugehen. Das Gesamte im Griff zu behalten und das Schiedsrichterschiff auf stürmischer See auf Kurs zu halten war mein Ziel. Möglicherweise gab es in dieser Zeit viel zu viele Aufgabenstellungen, um allen und allem gerecht werden zu können.
Persönlich bedaure ich Deine Sichtweise sehr, da ich glaubte, zu Dir ein sehr vertrauensvolles und gutes Verhältnis zu haben. Es war nie meine Absicht, den Menschen oder die Persönlichkeit Babak Rafati in Zweifel zu ziehen, die Kommunikation hätte wohl anders laufen sollen.
Deine Sicht der Dinge akzeptiere ich und versuche sie nachzuvollziehen, auch wenn ich in einigen Punkten das Ganze anders sehe. Es würde viel zu weit führen, hier jedes einzelne Detail aufzuführen. Ich erkenne, dass der öffentliche Druck auf Deiner Person unbeschreiblich war für Dich und dass ein zusätzlicher »interner« Druck im Schiedsrichterwesen besser hätte kommuniziert werden müssen.
Der Leistungsgedanke kann an der Spitze des Fußballs niemals ignoriert werden, aber das Menschliche muss in diesem rauen Geschäft bewahrt werden. Ich glaube auch, genau diese menschliche Seite in mein Amt mit eingebracht zu haben. Dass mir dies in Deinem Fall offensichtlich nicht gelungen ist, macht mich traurig und nachdenklich. Die vielen Gespräche mit unseren Schiedsrichtern Tag für Tag und der herzliche Umgang miteinander zeigen mir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Ich würde mich freuen, wenn unser Kontakt auch in Zukunft nicht abreißen würde, überlasse dies aber völlig Dir. Deine Zukunft und Deine Gesundheit stehen absolut im Vordergrund. Wenn Du es möchtest, bin ich jederzeit zu einem Gespräch bereit.
Herzliche Grüße
Herbert Fandel
Deutlich energischer antwortete Hellmut Krug noch am selben Abend:
Hallo Babak,
zunächst einmal möchte ich Dir sagen, dass ich mich gefreut habe, nach langer Zeit, in der Du Dich von der Öffentlichkeit abgeschottet
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