Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
was er früher selbst immer an mir gelobt hatte. War das noch Fandel, der da mit mir sprach? Früher hatte er mich gerade wegen meiner Körpersprache gelobt, weil sie ganz die seine sei. Einmal sagte er zu mir, ich sei »ein kleiner Fandel«. Das habe ich damals noch als Ehrung verstanden. Als ich in die Bundesliga aufstieg, meinte er, dass sich 70 Prozent der Schiedsrichter an meinem Auftreten und meiner Persönlichkeit etwas abgucken könnten. Kaum in neuer Funktion, fing er nun an, meine Körperhaltung massiv zu kritisieren.
Die Körperhaltung eines Menschen ist immer auch Ausdruck seiner Persönlichkeit. Es gibt kaum etwas, was einen Menschen schneller verunsichert, als wenn jemand infrage stellt, wie man sich bewegt, schaut oder spricht. Ein Schiedsrichter ist nur in dem Maße sicher in seinen Entscheidungen, wie er selbstsicher ist. Wenn er nachdenken muss, wie er sich bewegen, sprechen oder welche Gesten er einsetzen soll, hat er schon an Überzeugungs- und Durchsetzungskraft verloren. Fandel stellte damit nicht nur meine Professionalität infrage – sondern auch meine Persönlichkeit.
Zudem hatte er mir in der besagten Strafraumszene gesagt, dass er diese auch nicht mit Elfmeter geahndet hätte. Jedoch musste ich mich wundern, dass Krugs Meinung, wie ich später vom offiziellen Beobachter, Rainer Werthmann, erfuhr, Anwendung fand. Krug war der Meinung, dass diese Szene einen Elfmeter nach sich hätte ziehen müssen. Somit wurde mir das im Beobachtungsbogen angekreidet und in der Note entsprechend negativ angelastet. Wieder einmal war für mich die Frage, wer denn im Schiedsrichterbereich der Chef sei, der DFB-Schiedsrichterkommissions-Vorsitzende Fandel oder der DFL-Vertreter Krug, was auch immer wieder von den Schiedsrichtern in Frage gestellt wurde.
Immer wieder sagte Fandel, dass die Medien mich kritisierten. Dass es Klagen der Vereinsbosse wegen meines abweisenden, unzugänglichen, ja arroganten Auftretens gäbe. Ich war überrascht von der Vehemenz seiner Angriffe. Von irgendwoher schien er Druck bekommen zu haben, den er an mich weitergab. Ein Jahr vor seiner Amtsübernahme, als er vielleicht noch Verbündete suchte, um die Nachfolge Roths antreten zu können, hatte er mir versichert, dass er mich nicht nur für das nächste Jahr brauche, sondern für viele Jahre, da ich ein Unikum und Babak Rafati einfach einmalig in der ganzen Bundesliga sei. Jetzt kanzelte er mich nur noch barsch ab. Das Gespräch endete unfreundlich, wie es begonnen hatte.
Schon die ersten beiden Sonntagstelefonate mit Fandel waren verstörend, aber sie sollten von Mal zu Mal noch schlimmer werden. Fandel säte mit jedem Anruf negative Gefühle und hinterließ eine immer größere Brandspur aus Unzufriedenheit, Selbstzweifel und Sorge in meinem Leben. Es gab nur Kritik, Abwertung, Abkanzeln – niemals Bestätigung, ein Lob, das einen aufbaute, oder konstruktive Vorschläge, so wie bei Roth, wie Szenen effektiver zu lösen seien. Selbst wenn alles gut lief und es wirklich rein gar nichts zu kritisieren gab, sagte Fandel mahnend, dass ich jetzt aber auch dranbleiben müsse. Die Gespräche mit ihm waren einfach erniedrigend. So kam das bei mir an. So habe ich das empfunden. Fandel, so schien es, hatte sich in mir verbissen.
Auch die Warnungen Lutz Wagners, Fandel wolle mir meinen FIFA-Job nehmen, wurden schlagartig konkret. Auf der Halbzeittagung im Januar 2011, eine Woche vor meinem Spiel in Nürnberg, für das ich angesetzt war, berief Fandel die zehn FIFA-Schiedsrichter zu einer vertraulichen Gesprächsrunde in ein Nebenzimmer. Wie er einleitend sagte, ginge es darum, mit uns über die zukünftige Zuteilung der FIFA-Plätze zu sprechen. Er sagte, dass wir aus perspektivischer Sicht auf die Altersstruktur achten und konsequent Schiedsrichter austauschen müssten. Dabei gingen seine Blicke mehrmals scharf in meine Richtung, was mich sehr beunruhigte. Ich saß links neben ihm und konnte mich nicht verguckt haben, da Fandel sich stark nach links wenden musste, um mir ins Gesicht zu schauen. Und genau das tat er: Körpersprache wie auf dem Platz bei einer Roten Karte, unerbittlicher Blick, die gewölbten Augenbrauen in Richtung seines brikettschwarzen Blockhaarschnitts hochgezogen, die Lippen leicht geschürzt für die Fox 40 – es fehlte nur noch der ausgestreckte Zeigefinger, und ich hätte den Raum verlassen müssen.
Ich hätte nicht geglaubt, dass sich die Andeutungen auf mich bezogen, hätte Wagner vorher keine Hinweise
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