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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
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gegeben. Allein schon das Argument mit der Altersstruktur war scheinheilig. Immerhin war ich der viertjüngste FIFA-Schiedsrichter und zeitlich gesehen als Vorletzter auf die FIFA-Liste gekommen, jünger ging also kaum noch. Meine FIFA-Kollegen hatten mir zudem gesagt, dass andere, die älter und länger dabei waren, bei einem Austausch zuerst dran wären. Was wollte Fandel? Warum ging er gerade mich an?
    Es gab danach wieder kein klärendes Vier-Augen-Gespräch. Das war nicht Fandels Art. Die Transparenz, die Fandel als neue Politik zu Beginn seiner Amtsübernahme als Ziel gesetzt hatte, um sich von Vorgänger Roth abzusetzen, wollte er für sich selbst anscheinend nicht herstellen. Wenn er mir offen gesagt hätte, dass er mich als Schiedsrichter nicht mehr haben wolle, wäre ich allein schon aus Stolz zurückgetreten. Denn ich bleibe nirgendwo, wenn man mich nicht haben will. Wir hätten auch über einen vernünftigen Abgang sprechen können, über Perspektiven meiner Tätigkeit in der Bundesliga. So wusste ich nicht, woran ich war. Ich blieb ratlos stehen. Natürlich sprachen sich Fandels seltsame Andeutungen über den Flurfunk herum. Ab jetzt ging das Gerücht um, ich stünde auf Fandels Abschussliste. Ich war blamiert. Nichts anderes schien Fandel mit diesem Treffen bezweckt zu haben.
    ■ ■ ■
    Die folgenden Tage brachten keine Beruhigung. Im Gegenteil. Hatte ich in der Verletzungspause wichtige Entwicklungen verpasst? War der Stab schon über mich gebrochen? Wollte Fandel mich nicht mehr? Oder war das alles nur eine überspannte Fehlinterpretation? Ich telefonierte mit Kollegen, um mir Rat zu holen, wie ich am besten reagieren sollte. Einige versuchten zu beschwichtigen und forderten mich auf durchzuhalten, andere äußerten ihr Mitleid. Wieder andere hatten mich bereits abgeschrieben und reagierten distanziert. Ich verlor den Rückhalt in der Gruppe. Ich war massiv verunsichert und nach schlaflosen Nächten fuhr ich wenige Tage später, am 15. Januar 2011, mit meinem Team zum Spiel 1. FC Nürnberg – Borussia Mönchengladbach. Mit diesem Spiel begann endgültig mein Absturz.
    Fandel hatte vor Unternehmern einmal über den »Schiedsrichter als Führungskraft« referiert und gesagt: »Die Balance des Spiels ist gefährdet, wenn der Schiedsrichter seine Zweifel nach außen trägt. Seine Körpersprache muss Sicherheit vermitteln.« Ich war unsicher, schon als ich auf den Platz lief. Mir unterliefen in diesem Spiel krasse Fehlentscheidungen, meine Spielleitung war in dem ausbrechenden Chaos im Stadion miserabel. In Zeitungen wie der BILD las man am nächsten Morgen: »Nürnberg tobt gegen den Schiedsrichter. Der Tabellenletzte Gladbach gewinnt in Nürnberg 1:0, muss sich aber bei Schiedsrichter Babak Rafati (Hannover) bedanken. Der verweigert den Nürnbergern erst zwei Elfmeter, erkennt ein reguläres Tor zum 1:1 nicht an. Den dritten fälligen Elfmeter vergibt Pinola (86.). 32. Minute. Nach einem Freistoß zieht Gladbachs Neuzugang Stranzl Nürnberg-Verteidiger Wollscheid im Strafraum am Trikot zu Boden. Kein Pfiff. 69. Minute. Idrissou grätscht, wieder fällt Wollscheid. Kein Elfmeter. 77. Minute. Mendler wird steil geschickt. Heimeroth kommt aus seinem Tor, kann den Ball aber nicht festhalten. Nach einem Zusammenprall schiebt der Nürnberger ein. Regulär, aber Rafati pfeift das Tor weg.« Trainer Hecking: »Mir hat Herr Rafati gesagt, dass Heimeroth den Ball sicher in den Händen hatte.« Falsch! Verteidiger Nilsson: »Fehlentscheidung des Jahres.« Gladbach jubelt! Mike Hanke: »Ein Dreckssieg.« Es gab gellende Pfeifkonzerte. Ein wütender Nürnbergfan stürmte sogar wüst schimpfend aufs Feld in meine Richtung, wurde aber von Torwart Schäfer rechtzeitig abgefangen und »abgeführt«. Auch wurden beim Abgang aus dem Stadion von den Tribünen Gegenstände auf uns geworfen, sodass die Ordner uns mit aufgespannten Schirmen beschützen mussten.
    Die Tumulte im Stadion, die unverhohlene Aggression, die mir hier entgegenschlug, lassen keinen Menschen unbeeindruckt. Ich will an diesem Spiel nichts schönreden. Für meine Fehler gibt es keine Entschuldigung. Ich hätte es besser machen müssen. In der Szene, in der ich den fälligen Elfmeter für Nürnberg nicht gab, war mir die Sicht im Strafraum versperrt, sodass ich keinen guten Blick hatte. Auch wenn später im Fernsehen der Reporter den Assistenten die Schuld gab, muss ich widersprechen. Er stand zu weit weg und ich hätte die Möglichkeit nutzen müssen,

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