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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
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mich besser zu positionieren, um dann den möglichst besten Blickwinkel zum Geschehen zu haben und somit die richtige Entscheidung zu treffen. Auch andere Szenen im Spiel waren sehr unglücklich. Ich hatte diese Begegnung nicht im Griff gehabt und bekam dafür Prügel von allen Seiten. Die Schlagzeile »Fehlentscheidung des Jahres« würde mir wieder wochenlang anhaften.
    Nach dem Spiel riefen enttäuschte Nürnbergfans die Facebook-Seite »Anti-Babak-Rafati« ins Leben, die innerhalb weniger Stunden eintausend »Like it«-Anhänger hatte. Dort waren so unglaubliche hasserfüllte Sachen zu lesen, das mich am folgenden Montag ein Redakteur vom Kicker anrief und fragte, ob ich schon Morddrohungen erhalten hätte. Es ging massiv unter die Gürtellinie. Im »Glubbforum« der Nürnberger las ich wüste Beschimpfungen gegen mich, ein neuer Wettskandal sei am Laufen und ich sei ein »Betrügerschwein«, das im Auftrag das »Lieblingskind des DFB«, die Gladbacher, in der Bundesliga halten solle, ferner gehöre ich wegen meiner Leistungen generell für die Bundesliga gesperrt. Andere konterten, das sei Blödsinn, weil ich sonst ja wohl nicht den Elfmeter für die Nürnberger, sondern für Gladbach gegeben hätte. Was besonders schmerzte: Auf den Fanseiten der Nürnberger gab es viele Beileidsbekundungen – ausgerechnet vonseiten der Gladbacher. Mit dem Tenor: »Wir hatten auch schon unter Rafati zu leiden!« Gladbachs Trainer Frontzeck sagte nach seinem 1:0-Sieg erleichtert: »Heute haben wir mal Glück gehabt.« Irgendwann entstand hier auch die Verballhornung meines Namens, die ich bald immer wieder hören sollte: »Babak Tomati« – weil ich angeblich Tomaten auf den Augen hatte. Eine Zeitung druckte wenig später großzügig ein entsprechendes Porträtfoto. Ich war die Pfeife der Nation. Ich war umstritten, ein Schiri, der polarisiert, und ich hatte mit diesem Spiel meinen sämtlichen Feinden Munition geliefert. Ein Fanbeitrag von einem »stc«, einem Nürnbergfan mit 3053 Einträgen, machte mich besonders nachdenklich. Ich las: »Der anfänglich als Vorzeigebeispiel einer neuen Schiedsrichtergeneration hochgelobte Rafati ist seit einiger Zeit nur noch ein Schatten seiner selbst.« Genauso war es. Nach diesem Spiel gerieten die Dinge für mich völlig außer Kontrolle.
    ■ ■ ■
    Wir fuhren sehr still nach Hause. Wir wussten, dieses Spiel würde Folgen haben. Auf der Zugfahrt, die sechs Stunden dauerte, kam ich aus dem Grübeln und den Selbstvorwürfen nicht heraus. Mir ging durch den Kopf, wie ich es Fandel am nächsten Tag erklären sollte. Zu Hause angekommen, körperlich erschöpft und seelisch ausgebrannt, verspürte ich nur innere Leere, weil ich in meinem Zustand nur noch meine ganzen Probleme sah und alle Gefühle an mir vorbeirauschten … Wieder und wieder erzählte ich meiner Freundin Rouja, was sich abgespielt hatte.
    Wir sahen uns die Aufzeichnungen des Spiels gemeinsam an, um zu hören, wie die Kommentatoren die einzelnen Szenen bewerteten. Das Ergebnis war eindeutig. Ich hatte wegen weit geringerer Fehler schon derartig Druck von Fandel bekommen – ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie er sich angesichts meiner jetzt tatsächlich vorliegenden Fehlentscheidungen noch steigern sollte. An Schlaf war nicht zu denken. Die ganze Nacht geißelte ich mich mit immer schrecklicheren Gedanken des Versagens.
    Als ich morgens völlig erschöpft aus dem Bett stieg, sperrte ich mich in der Küche ein, legte mir die Worte zurecht, notierte Argumente, wie ich mit Fandel sprechen könnte. Denn unmittelbar während des Telefonats, das hatte ich jetzt mehrfach erlebt, wurde ich wegen seiner verletzenden Äußerungen sprach- und hilflos. Dann rief ich an und holte mir meine Abfuhr ab. Ich musste mich der sehr harten, aber berechtigten Kritik stellen. Ich suchte Hilfe angesichts der über mich hereingebrochenen Medienschelte. Ich fragte Fandel, wie er damals damit umgegangen sei, als er beim Kicker als schlechtester Schiedsrichter geführt worden sei. Fandel antwortete: »Im Gegensatz zu dir wurde ich von den Spielern wenigstens akzeptiert.« Trotzig bot ich meinen Rücktritt an. Was Fandel ablehnte: »Das sag ich dir, wenn es so weit ist!« Ich erwähnte Hilfe suchend, dass ich sehr verunsichert sei und nicht mehr wisse, wie ich nach diesem Spiel noch auf dem Platz auftreten solle. Die Antwort war auch hier leider sehr kurz, nicht analytisch und somit auch nicht hilfreich: »Ich weiß das nicht, du musst nur die

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