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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
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Ich verstand erst nicht. Fassungslos hantierte ich am Gerät herum. Jeder hatte Empfang. Am Gerät schien es nicht zu liegen. Es lag an mir! Ich war so von meinen negativen Gedanken abgelenkt, dass ich dem Spielverlauf nicht mehr folgen konnte und selbst auf Rufe des Assistenten nicht hörte. Wenn jetzt wieder ein Fehler vorliegen würde, durfte ich noch 45 Minuten pfeifen und der Schlusspfiff des Spiels stünde auch für das Ende meiner Karriere.
    In der zweiten Halbzeit kurz vor Schluss eine zweite kritische Entscheidung im Hoffenheimer Strafraum und mein nächster Aussetzer. Ich hatte es gesehen und gepfiffen, konnte aber nicht entscheiden, wie das Foul in den Spielzusammenhang einzuordnen war. In meinen Gedanken war ich völlig damit blockiert, wie mich Fandel wegen der missglückten Entscheidung in der ersten Halbzeit wieder abkanzeln würde. Was sollte ich jetzt tun? Die Spieler, meine Assistenten – ein ganzes Stadion hatte die Blicke auf mich gerichtet. Ich setzte wie beim Roulette auf »Rouge« oder »Noir« und entschied auf Strafstoß bzw. Elfmeter. Es war reines Raten. Und reines Glück, dass ich richtig lag. Ich war nicht mehr bei mir, unfähig, die mich schädigenden Gedanken abzuschalten und mich auf das Spiel zu konzentrieren. Ich lief auf Autopilot völlig blind durch ein Bundesligaspiel. Jetzt war es tatsächlich so weit. Wahnsinn! Ich gehörte nicht mehr in den Profifußball, in diesem Zustand hätte ich selbst in der Pampers-Liga nichts mehr zu suchen gehabt. Auf der Fahrt zum Bahnhof sagte ich zu meinen Assistenten, dass dieses Spiel mein letztes Bundesligaspiel gewesen sei und wir uns dann wohl nicht mehr sehen würden.
    # # # 19.11.2011, 4:40 Uhr # # #
    So war alles gekommen. Der Kreis hatte sich geschlossen. Man hatte mich kleingekriegt. Und sie dünnten mich weiter aus. Mittlerweile musste ich nicht mehr die Tage, sondern den ganzen Monat »durchblättern«, um Ansetzungen zu finden: eine Woche frei, danach dritte Liga, dann wieder frei und dann – erst volle fünf Wochen später – zum ersten Mal wieder ein Spiel in der Bundesliga. 19. November 2011 – 1. FC Köln gegen Mainz 05. Wieder Mainz 05! Mein Schicksalsspiel, vor dem ich jetzt in einem Hotelzimmer in die schwarze Silhouette Kölns starrte, würde den Anfang und das Ende setzen. Dieselbe Paarung, mit der ich sechs Jahre zuvor meine Karriere begonnen hatte. Und Hellmut Krug hatte sich als Beobachter angesagt, um es vermutlich zu meinem letzten Spiel zu machen. Sollte das alles Zufall sein? Ich schaute auf weitere Ansetzungen für mich in der Folgezeit nach diesem Spiel: Der Kalender nach dem 20.11.2011 war leer. Ich hatte das Gefühl, als sei eine Falle zugeschnappt. Krug und Fandel, so dachte ich in meinen zunehmend schneller werdenden Gedanken, wollten mir mein Endspiel bereiten. 4:40 Uhr.
    Ich warf mich wieder ins Bett zurück und rechnete die verbleibende Restzeit bis zum Anstoß aus. 650 Minuten. Macht 39.000 Sekunden. Schon in der Schule war ich Klassenbester im Kopfrechnen, es funktionierte noch, obwohl das Pulsen und dieses bleierne Band um meinen Kopf immer schmerzhafter wurden. Ich könnte noch bis um 12 Uhr schlafen. Ich müsste nur endlich über den Punkt und diese verdammte Digitaluhr rüberkommen.
    Ich versuchte mich abzulenken. Ich versuchte an Rouja zu denken und wie gut es wäre, wenn sie jetzt bei mir wäre. Gegen Mitternacht hatte sie mir noch eine SMS geschickt, um mir Mut zu machen: Ich solle mich nicht einschüchtern lassen, mich auf meine Fähigkeiten besinnen und an ihre Liebe zu mir denken, sie endete: »Babak, ich liebe Dich, jetzt schlaf gut und versuch Dir keine Sorgen zu machen!« Ich hatte immer einen Talisman von ihr dabei, der mir Kraft geben und mich beschützen sollte. Ich drückte ihn fest an mich. Es half nichts. Es wurde schlimmer. Wie stand ich vor ihr da in meiner ganzen Schwäche? Hatte ich eine Frau wie Rouja noch verdient? War ich noch ehrlich zu ihr? Ich verbarg den Zustand meiner inneren Zerrüttung, wollte keine Schwäche zeigen. Natürlich bekam Rouja mit, dass es Probleme gab. Unsere Küche, früher ein Ort guter Gespräche und schöner Abendessen, war zu meinem Krisenzentrum geworden. Ich spürte meine Wut hochkommen und meine Verzweiflung über diese verlorenen Sonntage. Ich wollte nicht, dass sie mich in meinem Zustand sah, und schloss mich in der Küche ein nach den Telefonaten mit Fandel, aufgelöst, durchgeschwitzt, fahrig und blass.
    Wieder Fandel. Wieder die Digitaluhr, die

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