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Ich schnapp' mir einen Mann

Ich schnapp' mir einen Mann

Titel: Ich schnapp' mir einen Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Völler
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ihrer Netzhaut hinterlassen, und der
Rauch brannte in ihren Bronchien wie Feuer.
    Mit dem Kopf stieß sie gegen etwas Hartes.
    »Anton?«
    Doch es war nur die Kniescheibe des Buchhalters, der
orientierungslos an ihr vorbeigetorkelt kam.
    »Anton?«, versuchte sie es erneut.
    »Flora?«
    »Ja, ich bin hier!«, brachte sie mit rauer Stimme heraus. »Wo
bist du?«
    »Ich bin hier drüben!«
    Flora kroch in die Richtung, aus der seine Stimme kam.
    Dabei kam sie an der Betonmischmaschine vorbei. Die Stablampe
war zu Boden gefallen und beleuchtete nebelhaft den Stuhl, auf dem
Xavier gefährlich hin und her wippte. In seiner Not musste er es
irgendwie geschafft haben, ihn zum Wackeln zu bringen.
    Durch das zerbrochene Fenster brüllte eine megaphonverstärkte
Stimme: »Hier spricht die Polizei! Kommen Sie mit erhobenen Händen
heraus!«
    Kleff, dachte Flora. Und die Kavallerie. Jetzt hatte man sie
doch noch gefunden. Keinen Moment zu früh.
    Der Stuhl mit Xavier wippte immer stärker von einer Seite auf
die andere, kippte plötzlich um und landete krachend auf dem Boden.
Flora, die allmählich ihr Sehvermögen zurückgewann, erkannte, dass
Xavier es jetzt keineswegs bequemer hatte. Er hatte sich den Kopf
angestoßen und gurgelte schmerzvoll durch das Klebeband. Allem Anschein
nach versuchte er zu husten, der arme Kerl, kein Wunder bei dem
scheußlichen Qualm überall! Flora rieb sich die tränenden Augen und
kroch zu ihm hinüber. Seine Hände waren mit Stricken zusammengebunden
und zusätzlich an der Stuhllehne befestigt, glücklicherweise mit lauter
klassischen Seemannsknoten, die leicht zu lösen waren, jedenfalls für
jemanden, der beide Hände frei hatte. Flora schaffte es mit wenigen
Griffen, Xavier von den Fesseln und damit zugleich vom Stuhl zu
befreien. Er riss sich sofort den Leukoplaststreifen vom Mund, hustete,
spuckte, rieb sich den Mund ab.
    »Herr Xavier, es tut mir so wahnsinnig Leid, ich hoffe, es
geht Ihnen …«
    Er beachtete sie überhaupt nicht, sondern kroch ohne ein Wort
des Dankes davon, flach auf dem Bauch, Hand über Hand, Ellbogen über
Ellbogen.
    Na so was, dachte Flora, wie ein Soldat im Feuergefecht!
    Xaviers eingegossene Füße scharrten hinter ihm her, doch er
ließ sich nicht beirren. Er hatte ein festes Ziel vor Augen: Ein Blatt
Papier, das vorhin in dem allgemeinen Trubel von allen anderen
unbemerkt zu Boden geflattert war, an einer Stelle, die Xavier seitdem
nicht mehr aus den Augen gelassen hatte.
    »Anton?«, rief Flora verzweifelt.
    »Hier!«, keuchte er.
    Es klang etwas näher als vorher, doch die Richtung hatte sich
geändert. Flora orientierte sich neu und kroch weiter.
    Aus dem Trappeln etlicher Füße und barsch gebellten Kommandos
wie »Legen Sie sich flach auf den Boden!« und »Hände über den Kopf!«
schloss sie, dass Polizisten die Halle gestürmt hatten.
    Ziggy kam in der Nähe an ihr vorbeigewankt, rücksichtslos die
Luft mit Blei durchsiebend. Es war unmöglich zu sagen, ob er wusste,
auf wen oder was er schoss. Vielleicht tat er es einfach aus Spaß.
Querschläger summten durch die Halle und fetzten Löcher in die Wände.
Eine der Kugeln traf die Glühbirne, und es wurde noch finsterer, doch
nur Augenblicke später zerschnitten Scheinwerfer von draußen
fächerartig die Dunkelheit.
    »Geben Sie auf!«, brüllte Kleffs Megaphonstimme, die von allen
Seiten gleichzeitig zu kommen schien. »Stellen Sie sich!«
    »Das wollen wir ja die ganze Zeit!«, rief Anton. Sein Kopf
schmerzte unsäglich. Er kroch hustend und tastend durch den Rauch,
möglichst dicht an der Wand entlang, um nicht in die Schusslinie, von
wem auch immer, zu geraten.
    »Flora!«, schrie er. »Wo bist du?«
    »Hier«, sagte sie. Sie hockte dicht hinter ihm. Ihre Augen
waren nass und geschwollen, und ihre Lippen zitterten. Doch sie
lächelte. »Ich bin hier.«
    Anton nahm ihre Hand.
    Die Schießerei ging weiter. Der Chauffeur
und der Buchhalter wurden von Heerscharen von Polizisten gestellt, als
sie an der Rückseite der Halle ein Fenster einschlugen und ins Freie
klettern wollten.
    Ziggy verschanzte sich unterdessen hinter einer verrosteten
Ziegelpresse und verschoss das nächste Magazin.
    Xaviers Betonklotz zog eine Schleifspur kreuz und quer durch
die Halle. Er kaute und würgte noch an seinem Geständnis. Das Papier
war trocken und faserig, er hätte nie gedacht, dass es so lange dauern
könnte, ein einziges Blatt aufzuessen. Die Tinte, mit der er es
verfasst hatte, setzte ihm zusätzlich mit

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