Ich schnapp' mir einen Mann
geleitete sie
hinein. Als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, wusste sie tief in
ihrem Inneren, dass sie an Antonios Seite sicher war. Mit ihm zusammen
würde sie auch diese Prüfung bestehen. Und so geschah es auch.
Flora schob die Fahnen in den Umschlag zurück und betrachtete
Antons Hände am Lenkrad. Sie zitterten nicht mehr, ebenso wenig wie
ihre eigenen. Natürlich würden sie's packen. Bis jetzt hatte sie alles
geschafft, was sie sich vorgenommen hatte. Weil sie nie aufgehört
hatte, an sich zu glauben. Weil es Dinge gab, für die es sich zu
kämpfen lohnte.
Mit dieser Erkenntnis hatte sie auch ihr Buch beendet. Die
Worte, die sie dafür gewählt hatte, würde sie niemals vergessen.
Nur der Glaube an uns selbst gibt uns Stärke und
schöpferische Kraft. Aus diesem Glauben erwächst auch die Liebe und die
Fähigkeit, dafür zu kämpfen. Ein Leben lang. So wie die Schwäne.
Für diejenigen, die wissen möchten, was aus
den Personen des Romans wurde, hier noch folgende Informationen:
Flora Zimmermann kam mit zwanzig Monaten auf Bewährung davon,
und wenn sie nicht irgendwann wieder eine Bank ausraubt oder Leute mit
der Pistole belästigt, wird sie niemals einen Knast von innen kennen
lernen – es sei denn, anlässlich der Recherchen für eines
ihrer Bücher.
Mit ihrem Debütroman avancierte Flora im Nu zur viel gefragten
Bestsellerautorin. Der Film zum Buch kommt in Kürze auf die Leinwand.
Anita und Tobias, Floras Freunde, wurden glückliche Eltern
eines Söhnchens namens Florian. Anita arbeitet regelmäßig als Floras
Tagesmutter und zahlt seitdem eine Menge Steuern.
Zacharias Ziegler alias Ziggy der Zigeuner muss die nächsten
fünfzehn Jahre auf seine Schießübungen verzichten. In einem
Revolverblättchen war kürzlich zu lesen, dass er seine Zelle mit
Zebrafellen ausgehängt und einen fadenscheinigen, übel riechenden
Löwenkadaver als Fußwärmer vor seiner Pritsche liegen hat.
Im Gegensatz zu Ziggy kam Xavier mit einem blauen Auge davon.
Bei seinem Strafprozess stellte sich rasch heraus, dass er an einer
schizoiden Persönlichkeitsstörung mit Hang zum Infantilismus litt.
Gegen massive Therapieauflagen wurde seine Freiheitsstrafe zur
Bewährung ausgesetzt. Gerüchten zufolge soll seine Mutter sich den Zorn
des Therapeuten zugezogen haben, weil sie Xavier zu jeder Sitzung einen
Henkelmann mit heißer Suppe mitgibt.
Floras früherer Lebensgefährte und leiblicher Vater ihres
Kindes, Heiner van Beck, wurde rasch als avantgardistischer Maler mit
besonderem Hang zu nudistischen Performances bekannt und wohlhabend,
wenngleich er es, sozusagen spartenbedingt, in pekuniärer Hinsicht bei
weitem nicht mit Flora aufnehmen kann. Flora und Heiner haben sich
endgültig aus den Augen verloren, seit Tamara Berger ihn überredet hat,
mit ihr auf La Gomera eine Künstlerkolonie zu gründen.
Wie aus Urlauberkreisen verlautet, ist das Projekt vor kurzem
geplatzt; seitdem ist Tamara als Animateurin in einem namhaften Club
damit befasst, den Leuten die Freude am richtigen Sprechen
beizubringen, während Heiner im selben Club eine Malgruppe mit
Schwerpunkt Bodypainting leitet.
Bleibt natürlich, last, but not least, Anton. Er ist ein
besonderer Fall. Flora hatte ihn gewissermaßen aus den Startlöchern
einer großen Karriere gerissen, doch er ist's zufrieden. Seit neuestem
ist er ein Anwalt der kleinen Leute, die mit kleinen Fällen, kleinen
Geldbeuteln und großen Erwartungen zu ihm kommen. Zu seinen Zeiten als
aufstrebender Starjurist bei Schnellberger hätte er nie geglaubt, dass
es ihm Spaß machen würde, als Feld-, Wald-, Wiesen- und Vorstadtanwalt
zu arbeiten, und doch ist es so. Die Einmann-Kanzlei, die er seit zwei
Monaten betreibt, lässt ihm ausreichend Zeit, seine erfolgreiche Frau
zu managen und sich um Amanda zu kümmern. Anton ist ein
hingebungsvoller Vater, der die Kleine mit Argusaugen behütet und nicht
erwarten kann, ihr ein Brüderchen zu bescheren. Und das ist der letzte
Stand der Dinge: Flora und er arbeiten daran.
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