Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich sehe dein Geheimnis

Ich sehe dein Geheimnis

Titel: Ich sehe dein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrington
Vom Netzwerk:
schwarzhaarigen Frau sitzen. Sie trug ein purpurrotes Kimonokleid und eine Hochsteckfrisur. Sie hatte harte Gesichtszüge und war nicht besonders hübsch. Dann erst wurde es mir klar: Das war Madame Maslov! In ihrer Zeitungsannonce war auch ein Foto gewesen, aber ich war ihr nie zuvor persönlich begegnet. Phil flüsterte ihr etwas ins Ohr und sie warf lachend den Kopf zurück.
    »Sie krächzt wie eine verdammte Hexe«, sagte Mom.
    »Du bist eifersüchtig!«
    Sie drückte den Rücken durch. »Das bin ich nicht. Ich bin nur enttäuscht von Phils schlechtem Geschmack.«
    »Sind sie gemeinsam hergekommen?«
    »Ja.« In ihrer Stimme schwang eine Spur Trauer mit.
    »Mom, er kann nicht ewig auf dich warten. Nach ein paar Abfuhren wendet sich ein Mann eben einer anderen zu.«
    »Den gleichen Rat könnte ich dir geben«, schnaubte sie und stürmte davon.
    So musste ich allein dabei zusehen, wie der Bürgermeister zum Podium gebeten wurde. Dicht gefolgt von Justin gingen Mr und Mrs Spellman nach vorn. Justin strich sich die blonden Haare aus der Stirn, die vorn etwas zu lang geworden waren. Einst hatte ich diese Haare gestreichelt, die so weich waren und so sehr nach Salz gerochen hatten, wenn er nach dem Schwimmen zu unserem Badehandtuch zurückgekehrt war.
    Mrs Spellman küsste ihren Mann und Justin schüttelte ihm die Hand. Dann setzten sich beide. Als der Bürgermeister zu sprechen begann, schweifte Justins Blick über die Menge. Er fand mich, und ich wusste, dass er kein Wort der Rede seines Vaters hörte.
    Ich trank mein Glas leer und verschwand auf die Toilette.
    An das Waschbecken gelehnt konzentrierte ich mich auf meine Atmung. Ein. Aus. Ein. Aus. Denk nicht an ihn. Atme ein. Atme aus.
    Die Tür öffnete sich. Hoffentlich war das nicht meine Mutter!
    Viel schlimmer. Es war Tiffany.
    »Ach, sieh einer an«, quietschte sie. »Du verpasst die große Rede.«
    »Ich bin nicht in Stimmung, Tiffany.«
    Sie stand einfach da und starrte mich im Spiegel an.
    Ich drehte mich um. »Was ist?«
    »Warum hast du keine Freundinnen, Clare?«
    »Ich … ich habe Freunde«, stammelte ich.
    »Dein Bruder und Nate Garrick zählen nicht. Ich meine Mädchen, die mit dir befreundet sind. Warum hast du keine?«
    Ohne die Antwort abzuwarten kam sie näher. »Ich werde dir sagen, warum. Weil du eine hochnäsige Kuh bist, die sich für etwas Besseres hält.«
    »Das stimmt nicht. Das hier ist eine Kleinstadt, und falls du es noch nicht gemerkt hast: Die Leute sind nicht besonders nett zu mir …«
    »O bitte. Du versuchst es doch nicht einmal. Du hängst dich wie eine Klette an deinen Bruder, seine Freunde, seinen Job, sein Leben. Du hast nichts, das dir allein gehört. Normalerweise gehst du mir furchtbar auf die Nerven, aber jetzt tust du mir nur noch leid.«
    Sie drehte sich um und ging auf die nächstgelegene Kabine zu. Bevor sie die Tür hinter sich schloss, fügte sie hinzu: »Clare Fern, du bist der einsamste Mensch, den ich je getroffen habe.«

Sechzehn
    Es war keine große Neuigkeit, dass ich keine Freundinnen hatte. Es störte mich zwar, aber ich dachte nie wirklich darüber nach. Ich konnte nichts daran ändern – warum sollte ich also Energie mit Grübeleien verschwenden? Ich brauchte keine Freundinnen. Schließlich hatte ich mich selbst. Ich hatte Perry. Ich hatte Nate. Ich hatte Bücher und Musik und den Ozean. Ich hatte meine Zukunft: einen Neuanfang, auf den ich mich freuen konnte. An der Uni, wo mich niemand kannte, würde ich Freunde finden. An diese Tatsachen klammerte ich mich in einsamen Momenten und war nie besonders unglücklich über meine Situation.
    Aber irgendwie wurmte es mich, dass gerade Tiffany Desposito mich darauf ansprach. Dass ich es wusste, war eine Sache. Aber dass Dritte es wussten, war etwas völlig anderes. Dass sie darüber sprachen. Dass sie hinter meinem Rücken über mich lachten. Tiffany und ihre Clique hatten dafür gesorgt, dass niemand mit mir befreundet sein wollte. Jeden, der sich mit mir abgab, würde sie genauso behandeln wie mich. Und das wollte an der Eastport High niemand.
    Ich fühlte mich einsam. Und ich war wütend. Normalerweise würde ich in so einer Situation mit Perry reden, aber das war momentan keine gute Idee.
    Ich ärgerte mich immer noch über die Begegnung mit Tiffany, als ich etwas später ins Yummy’s kam. Ich wusste, dass dies im Moment ein sicherer Ort war, denn die blöde Kuh arbeitete ja beim Bankett. Deshalb hatte ich ein Taxi gerufen und den ganzen Mist hinter mir

Weitere Kostenlose Bücher