Ich sehe dein Geheimnis
haben wollen. Jedenfalls sind sie nur kurz hier. Und das war’s dann, vielleicht sieht man sich nächsten Sommer wieder.«
»Und warum machst du diesen Spaß nicht mit, Nate?«
»Spaß ist für mich etwas anderes. Ich bin auf der Suche nach der Richtigen.«
Ich spielte mit einer Fluse auf dem Tischtuch. »Ich glaube, das sollte Perry auch tun. Er braucht jemanden, der ihn vor Schwierigkeiten bewahrt.«
»Er ist in Schwierigkeiten?« Nate sah mich besorgt an.
Wenn ich die ganze Geschichte jemandem anvertrauen konnte, dann Nate. Er war Perrys bester Freund.
»Das ermordete Mädchen«, sagte ich langsam.
»Victoria Happel?«
»Ja. Perry hat in der Mordnacht mit ihr geschlafen.«
Nate starrte mich ungläubig an. »Hat er nicht.«
Ich sprach leise weiter. »Du darfst das natürlich niemandem erzählen. Nicht einmal Perry darf wissen, dass ich es dir gesagt habe. Niemand darf wissen, dass er dort war, weil er sonst zum Hauptverdächtigen wird.«
»Weiß er etwas über den Mord?«
»Nein. Als er das Motelzimmer verließ, lebte sie noch. Jedenfalls ist er deshalb so niedergeschlagen. Er fühlt sich schuldig. Er glaubt, wenn er geblieben wäre, hätte er sie retten können.«
»Oder er wäre jetzt auch tot«, stellte Nate fest, und ich nickte.
Ich spielte nervös mit einer Haarsträhne. Den ganzen Rest würde ich lieber für mich behalten: Dass Perry die Flyer in der ganzen Stadt eingesammelt hatte. Dass Victoria gesagt hatte, Perry hätte sie getötet. Dass selbst ich mich über Perrys seltsames Verhalten wunderte.
In dem Moment setzte Milly sich neben mich. »Hast du mich auf der Tanzfläche herumwirbeln sehen? Die alte Milly hat es noch richtig drauf!« Sie hob ihren Rock etwas an und warf ihre dünnen Beine in die Luft. »Wie eine Cancan-Tänzerin!«
Nate lachte peinlich berührt. »Ich hole mir noch eine Cola an der Bar. Möchtet ihr auch etwas?«
Milly bat um ein Glas Wasser mit Eis, ich wollte nichts weiter.
Dann erzählte Milly von früher und von all den Tanztees, die sie besucht hatte. Wenn ich ihr nicht den ganzen Abend zuhören wollte, musste ich schnell eine Ausrede finden.
»Hi Clare«, grüßte Stephen Clayworth plötzlich im Vorbeigehen. Er trug ein navyblaues Jackett mit einer Art gestickter Krone auf der Jackentasche.
Ich sprang auf. »Stephen, ich muss mit dir reden.«
Er wirkte überrascht. »Worüber?«
Ich lotste ihn vom Tisch weg. »Ich musste diesem Gespräch entkommen.«
»Du hast mich also nur benutzt.«
Ich lächelte naiv. »Tut mir leid.«
»Macht nichts.« Er sah zum Tisch seiner Eltern hinüber. Dallas Clayworth schüttelte gerade einem Mann die Hand, während Cecile lächelte wie eine der Frauen von Stepford . »Ich freue mich über die Auszeit von all dem Politgequatsche und der Schleimerei im Namen der Wählerstimmen.«
Über den Ermittlungen und die Sorge um Perry hatte ich den Wahlkampf völlig vergessen. Stephen konnte das natürlich nicht. Es war sein Leben. Dass er so negativ darüber sprach, überraschte mich.
»Magst du das alles denn gar nicht? Es liegt dir doch im Blut.«
»Ich weiß, dass ich später in der Politik enden werde … aber das dauert noch. Jetzt nervt mich das Ganze einfach nur. In zwei Monaten beginnt mein Studium, und ich glaube, die Distanz zu meinen Eltern wird mir guttun.«
Das beeindruckte mich. Stephen war interessanter, als ich gedacht hatte. Und wegen des Schummel-Skandals bei der Prüfung schien er auch nicht mehr böse auf mich zu sein.
»War nett, mit dir zu reden.« Er wandte sich zum Gehen.
Ich legte eine Hand auf seinen Arm, um ihn daran zu hindern. »Stephen?«
»Ja?«
Ich schluckte. »Warum hasst du mich eigentlich nicht?«
»Wie bitte?«
»Wegen der Sache mit der Prüfung. Weil ich dich verpetzt habe.«
Er zuckte die Schultern. »Erst war ich schon wütend, aber alles ist schließlich gut ausgegangen. Und irgendwie konnte ich verstehen, warum du es getan hast. Ich habe mich mit deinem Bruder angelegt, also hast du dich mit mir angelegt. Ich habe Respekt vor Loyalität.«
In diesem Moment beendete die Band ihren Song und verkündete, sie werde eine Pause einlegen.
»Und jetzt muss ich zu meiner Familie zurück. Dad hält eine Rede.«
Während der langweiligen Reden von langweiligen Männern gesellte sich Mom mit einem Glas Champagner zu mir. »Ist es nicht ekelhaft?«, flüsterte sie verschwörerisch.
»Was meinst du?«
Sie machte mich auf den Tisch hinter ihr aufmerksam. Ich sah Phil Tisdell neben einer
Weitere Kostenlose Bücher