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Ich sehe dein Geheimnis

Ich sehe dein Geheimnis

Titel: Ich sehe dein Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Harrington
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herumgerannt, habe aber niemanden gefunden. Vielleicht war es nur mein Dad, der eine Rauchpause gemacht hat.«
    »Dein Dad wäre nicht vor uns weggelaufen.«
    Ich überlegte, ihm von meiner Vision zu erzählen, verwarf den Gedanken aber. Die unbekannte Person war längst verschwunden. Wenn Gabriel mir nicht glaubte und eine schnippische Bemerkung machte, hätten wir wieder Streit. Und wenn er mir glaubte, könnte er meine Mitarbeit an den Ermittlungen als zu gefährlich ansehen. Aber ich würde sie um keinen Preis aufgeben. Das Leben meines Bruders hing davon ab.
    »Oder«, fuhr Gabriel fort, »es war einfach ein Tier. Ja, Rotwild.«
    Oder ein Jäger, dachte ich.
    Das Jahresbankett der Handelskammer von Eastport war für die Geschäftsleute vor allem ein Anlass, sich gegenseitig auf die Schultern zu klopfen, und für deren Frauen war es eine Gelegenheit, sich schick anzuziehen und Klatsch und Tratsch auszutauschen. Mom und ich kamen natürlich zu spät. Ich trug ein schlichtes schwarzes Cocktailkleid und Mom ein weißes besticktes Kleid, das gar nicht so schlecht war, wenn man berücksichtigte, was sonst noch in ihrem Schrank lauerte.
    Sie mischte sich sofort unter die Leute – wahrscheinlich hoffte sie, Lästereien über Madame Maslov aufzuschnappen. Ich nahm meinen Platz ein und versteckte mich hinter einem großen Glas Wasser mit Zitrone.
    »Darf ich mich setzen?«
    Nervös blickte ich auf, doch als ich Nate sah, lächelte ich. In seinem gestreiften Hemd und den Khakihosen sah er richtig erwachsen aus. »Klar.«
    Er setzte sich neben mich und legte sein kleines Notizbuch auf den Tisch neben seine Cola.
    »Aha, du bist also der Glückliche, der über diesen wunderbaren Abend berichten darf.«
    Er grinste. »Die echten Reporter bekommen die großen Geschichten und der Praktikant das Bankett der Handelskammer. Warum mischst du dich nicht unters Volk wie Starla?«
    Ich drehte mich nach meiner Mutter um und sah sie mit Milly zur Musik der Band tanzen. »Ich halte lieber den ganzen Abend meinen Stuhl warm.«
    »Was macht Perry heute Abend?«
    »Keine Ahnung. Ich habe nicht mit ihm gesprochen.«
    Nate drehte sein Colaglas hin und her. »Er wirkt in letzter Zeit so distanziert.«
    »Wollt ihr etwas trinken?«, fragte eine schrecklich bekannt klingende Stimme.
    Tiffany legte uns Cocktailservietten hin. Mit ihrem tief ausgeschnittenen T-Shirt überließ sie nichts der Fantasie. Als sie sich vorbeugte, quollen beinahe ihre Brüste heraus. Doch Nate sah die ganze Zeit mich an, was Tiffany sichtlich irritierte. Die ganze Show war umsonst!
    »Was machst du hier?«, fragte ich sie.
    »Ich arbeite hier im Catering.«
    »Du hast einen Nebenjob? Niemals.«
    Sie sah mich böse an und ging weiter.
    Ich grinste Nate an. »Ich hoffe, du wolltest nichts mehr bestellen.«
    »Ich kann selbst an die Bar gehen. Wir sprachen über Perry.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Wer weiß, vielleicht braucht er so was«, witzelte ich und deutete auf Tiffany.
    »Das hatte er schon.«
    Ich verschluckte mich beinahe. »Perry hatte etwas mit Tiffany?«
    »Ja, vor ein paar Monaten auf einer Party.«
    Mir wurde schlecht. Ich wusste nicht, wen ich ekelhafter fand – Tiffany oder Perry. Zum Glück erzählte er mir nie, welche Frauen er aufgerissen hatte, weil ich das gar nicht hören wollte. Aber in diesem Fall hätte er es mir doch sagen können. Vielleicht war es ihm peinlich oder er dachte, ich wollte es lieber nicht wissen. Oder er hatte einfach gern Geheimnisse.
    Nate nahm einen großen Schluck Cola. »Perry hatte mit vielen Mädchen etwas, für die er sich schämen sollte, aber sie ist die Schlimmste von allen. Das mit ihr würde er am liebsten rückgängig machen.«
    »Warum denn?«
    »Tiffany hat sich völlig bescheuert verhalten, nachdem Perry sie nie wieder angerufen hat. Sie hat ihm nachgestellt und solches Zeug.«
    Und dann hat sie sich absichtlich an Justin rangemacht , dachte ich. Die ganze Zeit hatte ich geglaubt, das sei der Höhepunkt ihrer Gemeinheiten mir gegenüber gewesen. Aber vielleicht war es gar nicht darum gegangen. Vielleicht hatte sie es getan, weil sie meinen Bruder am besten verletzen konnte, indem sie mich verletzte.
    »Seitdem hat sich Perry an Touristinnen gehalten«, erzählte Nate weiter.
    »Vor denen kann man sich besser verstecken.« Ich konnte mir einen bitteren Unterton nicht verkneifen.
    »Sie wissen ja, dass es eine Sache auf Zeit ist. Sie machen hier mit ihren Familien Urlaub oder sind Studentinnen, die einfach Spaß

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