Ich steig aus und mach 'ne eigene Show (German Edition)
zur Bedingung, als ich im Januar 2013 auf Thomas Raths Modenschau in Berlin Auftrat: Kein schlichtes Defilee, sondern eine Inszenierung wollte ich liefern. Thomas war begeistert von dem Vorschlag. Er wählte für mich einen Look aus, der einfach nach einer Performance verlangte: eine schwarz-weiße Robe mit riesiger Schleife auf der Hüfte, dazu einen Zylinder und schwarze Handschuhe, die bis unter die Achseln reichten. Das schönste Accessoire aber war die lange Reitgerte, mit der ich spielen durfte und nach dem Publikum schlug – natürlich ohne zu treffen. Für mich war es ein Vorgeschmack auf das, was ich mir für die nächsten Jahre wünsche: verrückte Kulissen, Kostüme und Bewegung. Dahin soll mein Weg mich führen.
Und zum Gesang! Das tägliche Üben zahlt sich jetzt aus. Neben dem körperlichen Training hatte ich den Gesang in mein Pensum aufgenommen und war hier und dort mit kleinen Nummern von Marlene Dietrich und Zarah Leander aufgetreten. 2008 ging ich einen Schritt weiter. Ich lernte Florian Csizmadia kennen, der damals Chordirektor an der Hamburgischen Staatsoper war, und nahm nun einmal in der Woche eine Stunde bei ihm. Wir arbeiteten intensiv miteinander, um herauszufinden, wo meine Stimme wirklich liegt. Sie taugte nicht zum Trällern, so viel war klar. Wir probierten Chansons, da lag ich schon richtig, meinte er. Doch meine Stimme war so tief, dass wir alle Stücke transponieren mussten. »Du hast eine schwarze Stimme, beinahe wie Nina Simone«, sagte er. »Wenn du diese Kraft weiterentwickelst, dann wirst du eines Tages beim Rock oder beim Gospel landen.« Wie berühmte Opernsänger, die erst Sopran singen und später Mezzosopran. Bei manchen Sängerinnen braucht es Zeit. Florian hat mich für all das sensibilisiert. Er machte mir klar, dass ich nur singen darf, was ich verkörpere und was hundertprozentig meiner Stimmlage entspricht.
Er beflügelte mich und baute mich gut auf. Schon Stunden vorher freute ich mich darauf, mit ihm auf der Probebühne zu stehen. Er sorgte dafür, dass wir ungestört blieben, und ich genoss die wundervolle Resonanz in diesem Raum. Meine Stimme so zu hören war ungewohnt, doch es gefiel mir. Mit Florian lerne ich auch neue Übungen für zu Hause. Tief einatmen, beim hohen A ansetzen und dann in einem durch, ohne zu kieksen, bis runter zum tiefsten Ton, ganz unten im Bauch. »Wenn du das jeden Tag übst, erreichst du irgendwann die Tiefe, in der deine Stimme heute sitzt«, sagte er. »Und deine Stimmbänder bleiben fit.«
Natürlich erzählte ich meinen Bekannten von den Fortschritten, die ich machte. Und wenn sich die Gelegenheit bot, gab ich auch Kostproben. So lernte ich Ende 2012 Franz Plasa kennen, den Hamburger Musikproduzenten und Songschreiber, der auch Udo Lindenberg, Nena und Rio Reiser produziert hat. In seinen Home Studios haben schon Bands wie Rammstein und Depeche Mode aufgenommen. Franz war sofort interessiert, ein paar Songs mit mir zu produzieren. Aber zuerst bestellte er mich zu Probeaufnahmen ins Studio. Dort warteten schon ein paar Musiker. »Wir nehmen heute ein Demo auf. Danach sehen wir weiter«, sagte Franz und drückte mir den Text in die Hand. Den hatte ich schnell drauf. Wir spielten Brothers and Sisters ein, ein Stück, bei dem ich zeigen konnte, wo meine Stimme Gewicht besitzt. Nach zwanzig Minuten waren wir fertig – ohne vorher geprobt zu haben. Mittlerweile hat Franz einen Finanzier für meine erste Produktion gefunden und schreibt meine ersten eigenen Lieder.
Kein Ende
Ich fange jetzt mit vielem erst an, und das wird so bleiben, bis der Sargdeckel zugeht. Ich denke nicht daran, schon mit den Dingen abzuschließen. Unsere Wohnung, das Dauerprojekt, werde ich modernisieren bis zum letzten Tag. Ich habe die Fenster vergrößert und das Bad saniert. Als Nächstes ist die Küche dran. Und wenn ich irgendwann allein in diesen Räumen lebe, dann ohne Kompromiss. Ich möchte mit keinem Mann zusammenwohnen. Ich liebe meine Freiheit, ich kann ja trotzdem alles haben. Nur die Enge einer Beziehung, die brauche ich nicht. Ich bin glücklich, wenn ich allein durch Städte flaniere und stundenlang in Buchläden lese. Eines Tages möchte ich auch zu Hause nur meine Bücher und Bilder um mich haben. Mit Bildern bin ich schon aufgewachsen. Die besten Freunde meiner Eltern in Greifswald besaßen eine Galerie, und später war ich lange Zeit befreundet mit Hans Neuendorf, dem Kunstexperten, der auch Georg Baselitz gefördert hat. Hans nahm mich
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