Ich und Earl und das sterbende Mädchen: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
allergische Rhinitis diagnostiziert hat, was interessant klingt, aber mehr oder weniger nur bedeutet, dass ich ein ständiges Popelproblem habe. Ich kann im Grunde nicht durch die Nase atmen, darum steht mein Mund die meiste Zeit offen, was mir den Anschein bombastischer Blödheit verleiht.
Zweitens: Mädchen mögen Typen mit Selbstvertrauen. Lest bitte den vorigen Absatz unter diesem Vorbehalt noch mal. Es ist ziemlich schwer, Selbstvertrauen auszuströmen, wenn man wie ein pummeliger, blinzelnder, geistig minderbemittelter Nagetier-Mensch aussieht, der ständig in der Nase bohrt.
Drittens: Muss ich noch an meiner Anmachtaktik feilen.
Gescheiterte Anmachtaktik Nr. 1: Die Nicht-Verknalltheit. In der vierten Klasse entdeckte ich, dass Mädchen begehrenswert sind. Ich hatte natürlich keine Ahnung, was man mit ihnen anstellt.
Ich wollte irgendwie nur eine haben, als Eigentum oder so. Und von allen Viertklässlerinnen war Cammie Marshall definitiv die schärfste. Darum habe ich Earl auf dem Spielplatz mit folgender Botschaft zu Cammie rübergeschickt: »Greg ist nicht in dich verknallt. Aber er macht sich Sorgen, dass du in ihn verknallt bist.« Ich stand etwa zwei Meter entfernt, als Earl ihr das ausrichtete. Meine Hoffnung war, dass Cammie antworten würde: »Ich bin heimlich total in Greg verknallt und möchte seine Freundin sein.« Stattdessen sagte sie: »Wer?«
»Greg Gaines«, sagte Earl. »Er steht gleich da drüben.«
Beide drehten sich zu mir um und guckten mich an. Ich nahm den Finger aus der Nase, um ihnen zuzuwinken. Erst da fiel mir auf, dass mein Finger gerade noch tief in meiner Nase gesteckt hatte.
»Nee«, sagte Cammie.
Richtig besser ist es von da an nicht geworden.
Gescheiterte Anmachtaktik Nr. 2: Sperrfeuer der Beleidigungen. Cammie war eindeutig eine Nummer zu groß für mich. Aber ihre beste Freundin, Madison Hartner, war auch ziemlich scharf. In der fünften Klasse stellte ich mir vor, dass Madison eigentlich nach Aufmerksamkeit lechzen müsste, wenn man bedachte, wie scharf Cammie war. (Anmerkung: Mit siebzehn kann man im Nachhinein schwer nachvollziehen, dass eine Zehnjährige scharf gewesen sein sollte. Damals aber war es vollkommen plausibel.)Jedenfalls wandte ich bei Madison eine Taktik an, die, wie ich beobachtet hatte, bei anderen Fünftklässlern funktionierte: Beleidigungen. Regelmäßige, üble Beleidigungen. Beleidigungen, die nicht mal irgendeinen Sinn hatten: Ich nannte sie Madison Avenue Hartner, ohne zu wissen, was die Madison Avenue war. Ich weiß nicht mehr genau, warum, aber irgendwann kam ich auf Madison Furz ner, worüber ein paar von den anderen Mädchen kichern mussten, darum nannte ich sie daraufhin andauernd so.
Die Sache war aber die: Ich war erbarmungslos. Ich ging viel zu weit. Ich sagte ihr, sie hätte ein winziges Dinosaurierhirn und ein zweites Hirn in ihrem Hintern. Ich sagte, bei ihr zu Hause würde nicht Abendbrot gegessen; stattdessen säße die ganze Familie nur um den Tisch herum und furzte, weil sie zu doof zum Essen wäre. Einmal rief ich sogar bei ihr an, um ihr mitzuteilen, dass sie sich das Haar mit Kotze wusch.
Na ja, ich war ein Idiot. Ich wollte nicht, dass irgendwer dachte, ich sei in sie verknallt, darum hatte ich beschlossen, allgemein den Eindruck zu erwecken, ich würde Madison Hartner aus ganzem Herzen hassen. Völlig ohne Grund. Beim bloßen Gedanken daran habe ich das Bedürfnis, mir ein blaues Auge zu hauen.
Dann, nach ungefähr einer Woche, kam der Tag, an dem ich sie zum Weinen brachte – irgendwas mit Popel-Lippenstift, ich weiß es nicht mehr genau – , worauf die Lehrerin das Grundschul-Äquivalent einer einstweiligen Verfügung gegen mich aussprach. Ich ließ es stumm über mich ergehen und sprach ungefähr die nächsten fünf Jahre lang nicht mehr mit Madison. Bis heute ist die Woche, in der Greg einen unerklärlichen Hass auf Madison hatte, ein ungelöstes Rätsel.
Herrje.
Gescheiterte Anmachtaktik Nr. 3: Das Täuschungsmanöver . Also, Mom bestand darauf, dass ich bis zu meiner Bar Mitzwa am jüdischen Religionsunterricht teilnahm, was unglaublich ätzend war, und ich möchte auch nicht darüber reden. Eine Sache am jüdischen Religionsunterricht war jedoch toll: das fantastische Jungen-Mädchen-Verhältnis. In meiner Klasse waren nur ich und ein anderer Junge, Josh Metzger, gegen sechs Mädchen. Das Problem: Nur eins von diesen Mädchen, Leah Katzenberg, war scharf. Das andere Problem: Josh Metzger war ein echter
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