Ich und Earl und das sterbende Mädchen: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Schönling. Er hatte langes, vom Schwimmen ausgebleichtes und lockiges Haar. Er war außerdem verschlossen und wortkarg, was mir Angst einjagte und ihn gleichzeitig für die Mädchen sehr attraktiv machte. Selbst unsere Lehrerinnen haben ihn angebaggert. Jüdische Religionslehrer sind immer Frauen, meistens unverheiratet.
In der sechsten Klasse war jedenfalls die Zeit gekommen, sich an Leah Katzenberg ranzuschmeißen. Um sie zu gewinnen – Achtung: rekordverdächtige Blödheit –, beschloss ich, sie eifersüchtig zu machen, indem ich mit Rachel Kushner flirtete, einem mittelmäßig aussehenden Mädchen mit großen Zähnen und Haaren, die noch krauser waren als die von Josh Metzger. Sich mit Rachel Kushner zu unterhalten war außerdem nicht besonders aufregend, weil sie unheimlich langsam sprach und anscheinend nie irgendwas zu sagen hatte.
Immerhin musste man ihr anrechnen, dass sie mich für den komischsten Typen der Welt hielt. Ich konnte sie mit buchstäblich allem zum Lachen bringen: indem ich Lehrer nachahmte, schielte oder die Tauben-Mann-Nummer brachte. Das war natürlich der Hammer, was mein Selbstwertgefühl anging. Leider war es nicht der Hammer bezüglich meiner Chancen bei Leah Katzenberg, die kurz darauf Rachel und mich für ein süßes Paar hielt. Einmal nach dem Religionsunterricht hat sie uns genau das auch gesagt.
Plötzlich hatte ich eine Freundin. Aber es war nicht die Freundin, die ich wollte.
Wie Nizar es formulieren würde, der mürrischste und des Englischen am wenigsten mächtige unter den »Nichtmuttersprachler«-Schülern an der Benson: »Fuck Scheiße Wichser Arsch.«
Am nächsten Tag informierte ich Rachel telefonisch über meinen Wunsch, dass ich einfach nur befreundet sein wollte.
»Ist okay«, sagte sie.
»Toll«, sagte ich.
»Willst du vorbeikommen?«, fragte sie.
»Ähm«, sagte ich. »Mein Fuß hat sich gerade im Toaster verklemmt.« Es war bescheuert, aber selbstverständlich löste das einen riesigen Lacher bei ihr aus.
»Im Ernst, willst du nicht vorbeikommen?«, fragte sie noch einmal nach vollen dreißig Sekunden hilflosen Gegackers.
»Ich muss erst die Sache mit dem Toaster hier regeln«, sagte ich. Und da mir klar war, dass sich diese Unterhaltung nur noch im Kreis drehen konnte, legte ich auf.
Der Witz ging noch tagelang weiter, dann Wochen. Wenn sie anrief, sagte ich manchmal, dass ich am Kühlschrank festklebte, ein andermal, dass ich mich versehentlich an einem Streifenwagen festgeschweißt hätte. Dann begann ich, die Tierwelt einzubeziehen: »Ich muss gegen ein paar wütende Tiger kämpfen«, oder: »Ich verdaue gerade einen Wombat am Stück.« Es war völlig abstrus. Irgendwann fand es Rachel nicht mehr so komisch. »Hör mal, Greg«, sagte sie dann, »wenn du mich nicht mehr treffen willst, sag es einfach.« Aber aus irgendeinem Grund war ich dazu nicht in der Lage. Es wäre zu fies gewesen. Das Blöde war, dass das, was ich tat, viel, viel fieser war. Aber das begriff ich damals noch nicht.
Ich habe mich gerade ins Auge geboxt.
Der Religionsunterricht wurde extrem unangenehm. Rachel hatte zwar aufgehört, mit mir reden zu wollen, aber das half mir mit Leah kein bisschen weiter. Ist doch klar. Leah hielt mich für ein Riesenarschloch. Vielleicht habe ich sogar dazu beigetragen, dass sie alle Jungs für Arschlöcher hielt, denn bald nach dem Rachel-Fiasko wurde sie lesbisch.
Gescheiterte Anmachtaktik Nr. 4: Das Titten-Kompliment. In der siebten Klasse hatte Mara LaBastille ein Paar Wahnsinnstitten. Dennoch ist es grundsätzlich keine gute Idee, einem Mädchen ein Kompliment über ihren Busen zu machen. Ich musste es auf die harte Tour lernen. Noch schlimmer ist es, auf die Tatsache aufmerksam zu machen, dass Titten paarweise auftreten. Ich weiß nicht, warum, aber so ist es. »Du hast tolle Titten.« Schlimm. »Du hast zwei tolle Titten.« Schlimmer. »Zwei Titten? Perfekt.« Fünf minus.
Gescheiterte Anmachtaktik Nr. 5: Der Gentleman. Mariah Epps Familie war in der achten Klasse nach Pittsburgh gezogen. Als sie uns am ersten Schultag vorgestellt wurde, bin ich voll auf sie abgefahren. Sie war süß, sie machte einen schlauen Eindruck, und das Beste war: Sie hatte keine Ahnung von meiner Karriere als Volltrottel im Umgang mit Mädchen. Ich wusste, dass ich schnell zuschlagen musste. An dem Abend sprang ich über meinen Schatten und fragte Mom, was Mädchen wirklich wollen.
»Mädchen mögen Gentlemen«, sagte sie ziemlich laut. »Und Mädchen haben
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