Ich und er und null Verkehr
bleiben.
»Wow!« Kerstin starrt mich mit groÃen Augen an.
»Was ist?«, frage ich unsicher.
»Du hättest dich mal sehen sollen, gerade eben. So verliebt habe ich
noch nie jemanden gucken sehen.« Sie wird ganz aufgeregt. »Also, eines weiÃ
ich, Sandra: wenn man einmal so verliebt war wie ihr, dann darf man das nicht
einfach wegwerfen. Dann muss man darum kämpfen .« Sie
macht ein entschlossenes Gesicht. »Also, erzähl: Was hat er denn so Unmögliches
getan in letzter Zeit?«
Ich lege die Stirn in Falten und versuche meine Aussage zu
konkretisieren.
»Na ja, er ist nicht mehr so aufmerksam ⦠und er hört mir nicht mehr
richtig zu. Ja, genau, das ist es«, sage ich bestimmt.
»Zuhören? Wenn du wovon redest?« Ich komme
mir vor wie bei einem Verhör. Fehlt nur noch die grelle Lampe â aber die Sonne
blendet ja auch ganz ordentlich.
»Na, von meiner Arbeit zum Beispiel. Oder von meinem Buch.« Jetzt
fühle ich sogar ein bisschen Ãrger in mir hochsteigen. »Mir kommt es so vor,
als würde er das alles für Kinderkram halten im Vergleich zu dem, was er tut,
verstehst du? Er macht sich lustig darüber. Und von mir erwartet er, dass ich
jedes Mal vor Begeisterung zusammenbreche, wenn er irgendetwas Tolles geschafft
hat.«
Kerstin schweigt einen Moment lang. Dann beginnen auf einmal ihre
Mundwinkel zu zucken.
»Was ist?«, frage ich verwirrt. »Findest du das etwa auch lustig?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein, es ist nur â¦Â« Jetzt kann sie sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen. »Es ist doch alles Kinderkram! Du redest vom Kinder garten und von Kinder büchern ⦠das ist alles Kinderkram.«
Jetzt fällt bei mir der Groschen, und gegen meinen Willen muss ich
plötzlich auch kichern. Dann prusten wir beide los, und es dauert ein paar
Minuten, bis wir uns wieder eingekriegt haben.
»Nein, im Ernst«, schnieft Kerstin dann und wischt sich die Tränen
vom Gesicht. »Ich verstehe schon, was du meinst. Du glaubst, er hält alles, was
du tust, für unbedeutend.«
»Genau«, nicke ich.
»Und umgekehrt geht er dir manchmal auf die Nerven«, mutmaÃt sie
weiter.
»Ja, stimmt. Wenn er sich zum tausendsten Mal über seine ach so
interessanten Fälle auslässt, zum Beispiel. Oder wenn er gar nichts sagt,
sondern sich nur kommentarlos vor die Glotze hockt. Oder wenn er gleich im
Cheerio hängen bleibt und ich mal wieder allein zu Hause rumsitze. Das ist doch
respektlos, oder etwa nicht?«
Kerstin nickt nachdenklich. »Ja und nein«, sagt sie dann mystisch.
»Der springende Punkt ist: Frauen verstehen Männer nicht, und umgekehrt
verstehen Männer Frauen nicht â¦Â« Sie
macht ein Gesicht, als hätte sie mir gerade die Weltformel erklärt.
»Aha?«
»Verstehst du?«, fragt Kerstin, als sie meine ratlose Miene sieht.
»Nein.«
Kerstin schickt einen Hilfe suchenden Blick in die Baumkrone. »Ich
weiÃ, das ist schwierig zu erklären. Also, es gibt da gewisse Verhaltensmuster
bei Männern und Frauen, die sie einfach haben. Die sind evolutionsbiologisch bedingt,
da können sie gar nichts dagegen tun, die haben sich schon in grauer Vorzeit
entwickelt. Zum Beispiel, dass Männer aus allem einen Wettkampf machen und nie
Fehler zugeben oder dass Frauen immer hübsch sein wollen und so viel reden und
immer gleich auf andere Frauen eifersüchtig sind â¦Â«
Allmählich kapiere ich, worauf sie hinaus will. »Okay, ich verstehe.
Und weiter?«
»Das Problem ist, dass die wenigsten wissen, warum sich ihr Partner so verhält. Wenn du das erst mal verstanden hast, siehst du
alles viel lockerer, glaub mir.«
»Ist das der Grund, weshalb es zwischen dir und Ludger so gut
funktioniert?«
Sie nickt. »Das ist ein wesentlicher Teil. Das und der gute Sex. Da
könnte ich dir übrigens auch ein paar Tipps geben.«
Bei der Vorstellung, wie sie und Ludger Sex haben, durchläuft mich
ein Schaudern. »Oh, nicht nötig«, sage ich hastig. »Aber mich würde schon
interessieren, warum Männer so anders ticken als
Frauen.«
Die Vorstellung, dass Martin und ich zu ähnlicher Harmonie finden
könnten wie Kerstin und Ludger,hebt meine Stimmung
augenblicklich.
Kerstin strahlt. »Ludger und ich haben so ein Buch gelesen, das
müsstest du dir â¦Â« Auf einmal
unterbricht sie sich.
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