Ich und Karl der Große: Das Leben des Höflings Einhard (German Edition)
waren wie fast alle Völker, die die Germania bewohnen, sowohl wild von Natur als auch dem Dämonenkult ergeben und unserer Religion feind; sie hielten es deshalb nicht für schändlich, göttliches und menschliches Recht zu brechen und zu verletzen. Damit verbunden waren Umstände, die alle Tage den Frieden stören konnten: Unsere und deren Grenzen lagen nämlich – außer an wenigen Stellen, an denen entweder größere Wälder oder dazwischenliegende Gebirgszüge beide Gebiete mit einer festen Grenze schieden – fast überall direkt nebeneinander in der Ebene, wo dann das Morden, Rauben und Brennen auf beiden Seiten kein Ende nahm.
Einhard, Vita Karoli, c. 7
E r war in seiner Eloquenz reich begabt und außerordentlich – und vermochte, was immer er wollte, ganz leicht verständlich auszudrücken. Er beschränkte sich auch nicht nur auf seine Muttersprache, sondern investierte seine Zeit, um Fremdsprachen zu lernen. Von ihnen lernte er das Lateinische so, dass er gewohnt war, es genauso zu sprechen wie seine Muttersprache; das Griechische dagegen konnte er besser verstehen als aussprechen. So redegewandt war er, dass er sogar ein wenig vorlaut witzelnd erschien. Die Freien Künste hegte und pflegte er mit großer Wissbegier; vor deren Lehrmeistern zeigte er tiefste Ehrfurcht, und er ließ ihnen große Ehren angedeihen. Um die Grammatik zu lernen, hörte er Petrus, einen alten Diakon aus Pisa; in den übrigen Disziplinen hatte er Albin mit dem Beinamen »Alkuin« als Lehrer – ebenfalls ein Diakon, ein Mann aus Britannien von sächsischem Geschlecht, ein Universalgelehrter. Bei ihm wandte er viel Zeit und Mühe auf, um Kenntnisse sowohl der Rhetorik als auch der Dialektik zu erlangen, besonders aber der Astronomie. Er lernte die Kunst des Rechnens und suchte mit scharfsichtiger Aufmerksamkeit und äußerst genau die Bahn der Sterne zu beobachten. Er probierte auch zu schreiben und pflegte dazu Tafeln und Büchlein in seinem Bett unter dem Kopfkissen bei sich zu haben, um in seiner freien Zeit seine Hand daran zu gewöhnen, Buchstaben abzumalen; aber die Unternehmung, spät und verkehrt begonnen, brachte wenig Erfolg.
Den Unterricht im Lesen und Psallieren verbesserte er mit größter Sorgfalt. Er beherrschte nämlich beides vollkommen, obgleich er selbst weder öffentlich las, noch sang (es sei denn leise und in Gemeinschaft).
Er hielt es für angeraten, dass seine Kinder folgendermaßen zu unterrichten seien: Sowohl die Söhne als auch die Töchter sollten zuerst in den Freien Künsten ausgebildet werden, mit denen er sich ja auch selbst beschäftigte. Die Söhne ließ er dann, sobald es nur ihr Alter erlaubte, nach Frankenart reiten, mit Waffen und bei Jagden üben; die Töchter aber mussten sich auf seinen Befehl hin – damit sie nicht durch Müßiggang geistig träge würden – an Wollarbeiten gewöhnen, mit Spinnrocken und Spindel beschäftigen und in allem guten Anstand ausbilden lassen.
Einhard, Vita Karoli, c. 25, 26 und 19
G enuss bereiteten ihm auch die Dämpfe natürlich heißer Quellen, und er stählte seinen Körper häufig beim Schwimmen; darin war er so geschickt, dass man ihm billigerweise niemanden voranstellen konnte. Deshalb auch errichtete er in Aachen einen königlichen Bau und wohnte dort in den letzten Jahren seines Lebens ununterbrochen bis zu seinem Tod. Und nicht nur seine Söhne lud er zum Bade, sondern auch die Vornehmen und Freunde, ja bisweilen sogar die Menge der Gefolgsleute und Leibwächter, so dass nicht selten hundert und mehr Menschen auf einmal badeten.
In Speise und Trank war er enthaltsam, enthaltsamer aber im Trank, da er ja Trunkenheit nicht nur bei sich und den Seinen zutiefst verabscheute, sondern bei jedem Menschen. Beim Essen freilich vermochte er sich nicht so sehr zurückzuhalten, so dass er oft klagte, die Fastentage schadeten seinem Körper. Er gab sehr selten Gastmähler, und wenn überhaupt, nur an besonderen Festtagen, dann jedoch im großen Kreis. Bei einem Alltagsessen wurden lediglich vier Gänge aufgetragen – außer dem Braten, den die Jäger am Spieß hineinzubringen pflegten; davon nährte er sich lieber als von jeder anderen Speise. Während des Mahls lauschte er entweder einem Possenreißer oder einem Vorleser. Man las ihm Historien oder die Taten der Altvordern vor.
Einhard, Vita Karoli, c. 22 und 24
NEGOTIUM
Als Ratgeber bei Hof
M ehr noch als die übrigen geheiligten und ehrwürdigen Orte verehrte er die Kirche des heiligen Apostels
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