Ich vergebe dir - Bucciarelli, E: Ich vergebe dir - Io ti perdono
auszumachen im Schwarz seiner schlecht gebügelten Anzughose und eines dünnen, abgewetzten Pullovers, der seine Mission erkennen ließ.
»Ich bin nicht gerade das, was man einen großzügigen Menschen nennt.« Maria Dolores fühlte sich reichlich unpassend, wie sie so dasaß, in der ersten Bank der kleinen Kirche, mit gefalteten Händen, vor sich den Altar. Kälte, Stille, das Licht von vier Kerzen.
»Wann hast du das letzte Mal gebeichtet?« Er blickte ihr tief in die Augen, während er die Antwort abwartete.
»Sie meinen die katholische Beichte?«, versuchte sie Zeit zu gewinnen.
»Welche andere Art zu beichten kennst du denn sonst noch, Mädchen?«
Seit sie tatsächlich ein Mädchen gewesen war, nannte er sie so. Sie hätte gern gewusst, an welchem Punkt, in welchem Moment ihres Lebens sie aufgehört hatte, tatsächlich ein Mädchen zu sein.
»Eigentlich – keine«, gab sie zu. »Es ist schon ziemlich lange her, ich kann nicht einmal mehr sagen, wann genau das war. Ich muss so um die zwanzig gewesen sein. Vielleicht war es sogar hier, mit Ihnen.«
»Es wäre an der Zeit, das Sakrament zu erneuern«, schlug der Priester vor. Maria Dolores wusste, dass hinter dieser Forderung der Versuch stand, seine Rolle zu wahren. Ein Priester, der einfach nur Konversation betrieb, war dann doch zu progressiv. Ein Priester, der ein Beichtgespräch führte, war dagegen etwas ganz anderes.
»Für mich macht das keinen Unterschied, ich spreche auch so offen mit Ihnen«, versuchte sie sich herauszureden, aus einem instinktiven Widerwillen gegenüber dieser archaischen Geste der Demut.
»Du bringst da etwas durcheinander, Mädchen. Die Beichte ist ein religiöser Akt. Er beinhaltet Einsicht, Sühne und Gottes Vergebung«, deklamierte er in müdem Ton, während noch zwei ältere Frauen in den ersten Reihen Platz nahmen.
»Ich werde darüber nachdenken. Zuerst wüsste ich allerdings gerne von Ihnen, warum Sie mich hergebeten haben.«
»Ich werde erwartet. Wir sprechen ein anderes Mal darüber.« Der Priester erhob sich, grüßte mit einem Nicken die beiden Frauen, die sich langsam setzten, drückte vorsichtig Maria Dolores Hand und verschwand in der Sakristei, um sich ein einfaches Messgewand überzustreifen. Zwei kleine Mädchen folgten ihm schwatzend, und er gab ihnen ein Zeichen, leiser zu sprechen.
Maria Dolores blieb regungslos sitzen. Sie spürte in sich das entfremdende Gefühl aufkommen, nicht hierherzugehören. Verärgert und unschlüssig stand sie genau in dem Moment auf, als sich der Priester vor den vergoldeten und reich mit Skulpturen verzierten Holzaltar stellte. Eingerahmt von dieser Pracht blickte er sie an, und mit einer mechanischen Langsamkeit, die sie selbst verwunderte, setzte sie sich wieder hin. Ein fügsames Kind. Damals wie heute.
Der Priester hatte sie ausfindig gemacht und sie in knappen, eindeutigen Worten gebeten, zu ihm zu kommen. Ohne einen Grund zu nennen. Sie hatte, hingegen ihrer sonstigen Gewohnheit, keinerlei Fragen gestellt, ja mehr sogar, sie hatte beschlossen, dass dies ein Zeichen war. Ein Zeichen, das mit ihren inneren Qualen zusammenhing. Ein Zeichen, das mit ihr selbst zu tun hatte.
7
»Uuuund nach oben.« Der junge Mann, der ihr die Befehle gab, besaß einen perfekten Körper und ein strahlendes Lächeln. Jede seiner Bewegungen war harmonisch, präzise, genau abgestimmt. Jetzt zählte er: »Noch drei. Eins.« Pause. »Zwei.« Pause. »Und drei.«
Und Inga Riboldi, vielleicht die einzige wirkliche Freundin der Kommissarin, gehorchte. Sie versuchte gleichmäßig zu atmen, aber es gelang ihr nur mit Mühe.
»Und zurück. Auf die Füße achten, immer geschlossen halten. Auf geht’s. Eins, zwei, drei, vier …«, er zählte nur bis acht. Schließlich waren dies die ersten Stunden.
»Ich fühle mich wie durch den Fleischwolf gedreht«, schimpfte sie leise vor sich hin. Inga – munterer Blick, einst junge Göre, jetzt Frau mit allem, was dazu gehört. Frisch entbunden, zwar ohne postnatale Depressionen, aber dafür von der Vorstellung besessen, den Bauch und die Hüften eines Pin-up-Girls wiederzuerlangen.
»Was hast du gesagt?«, fragte der Mann und sah sie durch ihre, in einem schmerzhaften Luftspagat auseinandergespreizten Beine an.
»Diese Position tut mir weh!«, erklärte sie trocken.
»Du musst sie nur lange genug halten, dann fühlst du, wie der Schmerz verschwindet«, erläuterte er, als wäre er ein Zen-Meister. »Und wenn dir etwas weh tut, dann ist das nur ein
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