Ich war Jack Falcone
eben damals. Ich musste mich damit abfinden.
Eines Tages, nach ein paar Monaten im Dienst, erhielt ein Kollege einen heißen Tipp: Ein flüchtiger Straftäter hatte sich in einem Haus in einer üblen Gegend von Jersey City versteckt. Der Beamte war Pat Johnson, der den Spitznamen »Superman« trug, weil er Christopher Reeve ähnlich sah. Johnson schaute sich nach einem Begleiter um. Er galt als »schwerer« Polizist; das heißt, man rief ihn in Krisensituationen, etwa bei einem Bankraub, der noch im Gange war. »Schwer« drückte im FBI-Jargon Anerkennung für die tapfersten Beamten aus, die mit den gefährlichsten Fällen beauftragt wurden.
Ich sah, dass er sich umschaute, und fragte: »Brauchst du Hilfe?«
Er wies mich ab. »Nee, wir schaffen das schon.«
Vielleicht bemerkte er meine Enttäuschung, oder es waren keine anderen Beamten verfügbar.
»Also gut, komm mit«, sagte er in einem Ton, den man nur benutzt, wenn man den jüngeren Bruder zu einem Date mitnehmen muss. Ich war so aufgeregt, dass ich mich kaum beherrschen konnte.
Wir fuhren nach Jersey City, und es stellte sich heraus, dass die Information richtig gewesen war. Der Flüchtige versteckte sich tatsächlich in diesem Haus. Also gingen wir hinein, genau wie im Film. Mein Herz klopfte, so nervös war ich. Ein Kollege bewachte die Hintertür. Dann schrie Johnson: »FBI! Öffnen Sie die Tür!«
Wir hörten Geräusche von innen. Offenbar wollte der Kerl abhauen. Pat, der enorm stark war, holte aus und trat die Tür ein. Zumindest versuchte er es. Aber sie zeigte nicht einmal einen Kratzer.
»Ich mach’s! Ich mach’s!«, rief ich. Nichts konnte mich zurückhalten. Ich rammte die Tür wie einst meine Gegenspieler auf dem Footballfeld. Kein Problem. Die Tür zerbarst. Wir fanden den Burschen im ersten Stock und nahmen ihn fest.
Zum ersten Mal hatte ich an der Festnahme eines Verdächtigen mitgewirkt. Wichtiger noch, die zerbrochene Tür verschaffte mir Respekt. Endlich wurde ich von den Kollegen des Dezernats akzeptiert.
Johnson konnte es sich nicht verkneifen, mich zu necken. »Ich hab die Tür für dich gelockert, Kleiner«, erklärte er.
Das musste er sagen, weil alle anderen ihn aufzogen. »He, Superman«, sagten sie, »hat der FNG dir gezeigt, wie man Türen eintritt?«
Von da an war ich einer von ihnen. Bald wurde ich bei Terroranschlägen eingesetzt, die auf das Konto der Anti-Castro-Gruppe Omega 7, der Weather Underground, der New World of Islam und der Fuerzas Armadas de Liberacíon Nacional (FALN) gingen. Die FALN kämpften für die Unabhängigkeit von Puerto Rico. Zu meiner Überraschung fand ich meinen Namen auf einem »Fahndungsplakat«, das die Gruppe überall in Union City, New Jersey, verteilte und aufhängte. Oben stand Condenados a Muerte – Zum Tode verurteilt . Die Ziele waren hauptsächlich FBI-Informanten und Agenten des kubanischen G-2, das mit dem FBI vergleichbar ist. Aber ich stand auch deshalb auf dem Plakat, weil ich einen FBI-Informanten angeworben hatte.
Mein wichtigster Fall in diesen ersten paar Jahren meiner FBI-Karriere war die Fahndung nach Ronald Turley Williams, einem der zehn meistgesuchten Flüchtigen. Dieser Fall war für mich deshalb so bedeutsam, weil ich dabei einen Vorgeschmack auf die Arbeit als verdeckter Ermittler bekam. Ron Williams war dafür bekannt, dass er in New York häufig »Massagesalons« besuchte, und eine bestimmte »Masseuse« schätzte er besonders. Wir hatten den Auftrag, diese Frau zu finden, da sie uns zu Williams führen konnte. Wir überwachten »Massagesalons« in Manhattan und schickten sogar ein paar Agenten in die »Salons«, damit sie sich Zutritt verschafften und Informationen sammelten. Aber sie wurden alle abgewiesen. Sie sahen zu sehr wie Polizisten aus.
Das FBI ist eine sehr konservative Behörde. Wir sind die Jungs – zumindest waren wir die Jungs – mit dem engen Kragen, der schmalen Krawatte, dem weißen Hemd und den Oxfordschuhen mit gebogener Kappe, die man »Tausendaugenschuhe« nennt. Wir brauchten keine Pistole, keine Handschellen, kein Funkgerät und kein Abzeichen – wenn wir auf die Straße gingen und wie typische FBI-Agenten gekleidet waren, schrie alles an uns »FBI!«. Im Spanischen gibt es einen treffenden Ausdruck dafür: tiene la pinta de un policia – »Er hat die Farbe eines Cops«. Mit anderen Worten, wenn jemand Polizisten in Zivil malte, dann malte er uns.
Als Neuling strahlte ich dieses FBI-Flair überdeutlich aus. Ich benahm mich
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