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Ich war nur kurz bei Paul

Ich war nur kurz bei Paul

Titel: Ich war nur kurz bei Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herfried Loose
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beim Töten der Fische, bei dem Paul einen alten Hammerstiel ohne Eisen benutzte, musste er erst einmal wegsehen. Er litt beim Zusehen. »Ach, Ralf, das ist immer nur bei den ersten Malen so. Das ist ganz normal, dafür brauchst du dich nicht zu genieren. Das muss man alles erst einmal lernen. Als ich noch Junge war, wurden bei uns noch Hausschlachtungen gemacht. Da wurden die Schweine durch einen Schlag mit der stumpfen Seite eines Beiles betäubt und bluteten dann aus. Dann hingen die aufgeklappten Schweinehälften an Leitern vor den Ställen. An den Anblick musste ich mich auch erst gewöhnen. Oder, meine Mutter schlachtete Hühner, und wir Kinder mussten ihr dabei helfen. Das ist alles ganz natürlich. Nur heutzutage kennt man das alles nicht mehr, weil es das Fleisch fertig aus dem Supermarkt gibt.« 
       Paul wechselte das Thema: »Du hast mir noch gar nichts von dir erzählt. Ich erinnere mich nur, dass du sagtest, dass du mit deiner Mutter erst vor wenigen Wochen von Silberstedt hierher gezogen bist, weil sich deine Eltern getrennt haben. Wo liegt dieses Dorf eigentlich? Und wie ist es dir bisher dort ergangen?«
       »Naja, Silberstedt ist ein kleines Dorf in der Nähe von Lauenburg. Da hat mein Erzeuger ein Haus und einen Garten. Ich bin bisher in Lauenburg zur Schule gegangen.«
       »Und, hast du Geschwister?«
       »Ja, die Nadine. Die ist aber eine blöde Kuh, mit der kann man nichts anfangen.«
       »Oho, eine blöde Kuh, also? Ist sie älter als du?«
       »Ja, zwei Jahre älter. Hat nur Klamotten und Schminke im Sinn. Dauernd steht sie vor dem Spiegel und regt sich über jeden Pickel auf. Das ist doch nicht normal...«
       »Oh doch, Ralf!«, lächelte Paul vergnügt und fuhr fort, »Mädchen in ihrem Alter sind so. Sie werden erwachsen und sind dann einfach unsicher und voller Selbstzweifel. Dann gibt es für sie nichts Wichtigeres als das, was du eben beschrieben hast. Das legt sich aber nach einiger Zeit wieder, dann wird auch deine Schwester wieder netter werden. Zum Glück sind wir Männer da nicht so kompliziert. In deiner Klasse wird das mit den Mädchen auch bald so werden, sollst mal sehen. Dann könnt ihr Jungs euch für eine Weile fast gar nicht mehr mit ihnen unterhalten, weil für die Mädels dann andere Sachen wichtiger werden. Ihre Welt dreht sich dann zeitweilig nur noch um Fragen wie: Welche Mode ist angesagt, welche Lieder sind gerade in die Charts gekommen, hast du schon die neueste BRAVO oder STAGE gelesen? Und so weiter und so weiter... Bei euch Jungs dominieren dann eben andere Themen, sicherlich überwiegend Sport-Ereignisse. Ich möchte wetten, dass ihr dauernd auf dem Schulhof steht und die letzten Bundesligaergebnisse besprecht. Wer spielt wo, gegen wen, und warum hat der Verein 'XY' gerade so kläglich versagt? Das sind Themen, an denen die Mädchen kein Interesse haben. Spielst du auch Fußball?«
       »Na klar, das tun doch alle richtigen Jungs, oder?«
       »Na, sagen wir mal, viele tun das - nicht alle! Einige Jungen haben andere Interessen; zum Beispiel ein Musik-Instrument zu erlernen oder Leichtathletik. Spielst du in einem Verein?«
       »Seit zwei Jahren! Hier in Lübeck, darf ich mich vielleicht im nächsten Jahr anmelden, vorausgesetzt, mein Zeugnis fällt gut genug aus.«
       »Da ist deine Mutter wohl sehr streng mit dir, oder?«
       »Nein, sie hat ja Recht. Ich soll die Zeit augenblicklich lieber für den Schulwechsel nutzen. Sie hat gesagt, dass es in jeder Schule Unterschiede beim Unterrichtsstoff gibt und dass ich mich erst einmal richtig anstrengen muss, damit ich den Anschluss finde. Ich hab aber schon gemerkt, dass ich, außer in Mathe vielleicht, in den meisten Fächern dort stehe, wo die anderen Schüler auch sind. Ist gar kein großer Unterschied.«
       »Na, das ist ja prima für dich! Dann brauchst du ja das folgende Zeugnis nicht zu fürchten und deinem Start im neuen Fußballverein steht dann nichts mehr im Wege. Was macht deine Mutter, geht sie arbeiten?«
       »Ja, sie ist Krankenschwester und arbeitet im Schichtdienst. Sie ist erst jetzt wieder in ihrem alten Beruf angefangen. Sie sagt, sonst sei die Trennung von meinem Erzeuger nicht zu bezahlen.«
       »Ist denn dein Vater mit deiner Schwester in dem Haus wohnen geblieben?«
       »Ja, zum Glück!«
       »Mir fällt auf, dass du, wenn von deinem Vater die Rede ist, immer von deinem Erzeuger sprichst. Was ist denn das für ein seltsamer Ausdruck? Warum nennst

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