Ich war nur kurz bei Paul
du ihn nicht deinen Vater«
»Er ist nicht mein Vater, nur mein Erzeuger und sonst nichts!« Trotzig hatte das geklungen - trotzig und verletzt. Paul ließ Ralfs kurzen Ausbruch zunächst unkommentiert und sah gedankenverloren auf das Wasser. Die Strömung nahm zu; sie mussten die Angeln deshalb in immer kürzeren Abständen einziehen und neu auswerfen.
»Schätze, die haben einen Düker weiter geöffnet; deshalb strömt jetzt mehr Wasser in Richtung Trave. Ich denke, wir können auch langsam Schluss machen.« Prüfend schaute Paul in die Plastiktüte mit dem Fang. »Sechs Stück, ist doch nicht so schlecht, oder? Willst du zwei für euch mitnehmen, deine Mutter wird sich vielleicht darüber freuen?« Ralf mochte nicht nein sagen, obwohl er den Fisch nicht wollte, nickte er nur und Paul nahm eine weitere Plastiktüte zur Hand und tat ihm zwei hinein.
Dann packten sie ein, stellten die Bierkisten wieder ins Gebüsch und brachen auf. Mittlerweile war es schon fast Mittag. Zwanzig Minuten später war Ralf dann wieder zuhause und unschlüssig, was er mit dem Fisch machen sollte.
Kapitel 5
Mit seinem Start am neuen Gymnasium konnte Ralf zufrieden sein. Die Klassengemeinschaft zeigte sich ihm gegenüber sehr aufgeschlossen, und so fand er im Kreis seiner neuen Mitschüler schnell Aufnahme.
Dazu trug sicherlich auch bei, dass fast alle Jungs aus seiner Klasse in Fußball vernarrt waren. So spielten sie an manchen Nachmittagen auf dem nahe gelegenen Bolzplatz, seine neuen Freunde bewunderten seine spielerischen Fähigkeiten.
Seine Mutter arbeitete sich mit viel Fleiß wieder in ihren erlernten Beruf als Krankenschwester ein. An der Lübecker Uni-Klinik arbeitete sie nun im Schichtdienst - in vierzehntägigem Wechsel.
Sie schien unter der Trennung und der neuen Wohnungssituation jedoch noch manchmal zu leiden. Ralf entging nicht, dass sie, wenn sie sich unbeobachtet fühlte, manchmal weinte.
Er versuchte dann sie zu trösten, hatte er doch eine sehr enge Bindung zu ihr. Er liebte sie, wie man seine Mutter nur lieben konnte, und sie und er waren ein gutes Team. Er half im Haushalt mit, machte Einkäufe, wusch ab, machte die Betten, bereitete seiner Mutter, wenn sie von der Frühschicht kam, Kaffee und belegte ihr die Brötchen.
Er war schon zuvor in Silberstedt immer sehr fürsorglich gewesen, jetzt aber verging kein Tag, an dem Yvonne Jensen nicht von ihm verwöhnt wurde. Sie bemühte sich ebenfalls, ihrem Sohn den Verlust seines Elternhauses und seines Dorfes vergessen zu machen, indem sie ihm besonders viel Liebe und Aufmerksamkeit schenkte. Auch machten sie, wann immer es sich einrichten ließ, gemeinsame Unternehmungen, gingen ins Schwimmbad, ins Kino oder einfach auch nur gemeinsam spazieren.
Ralf begegnete Paul Schmitt mit dessen Hund öfter im Viertel, sie grüßten sich dann, aber es ergab sich keine Gelegenheit zu weiteren Gesprächen. Der Strandtag, an dem er Lorenz kennen gelernt hatte, war auch der letzte des Sommers. Pünktlich mit Schulbeginn kam das Wetter kühl und frühherbstlich daher.
Seine erste Testarbeit in Deutsch brachte Ralf mit einer Drei-Plus nach Hause, mit der sich seine Mutter zufrieden zeigte. Er selbst war es nicht, hatte er doch zuvor wie ein Verrückter gebüffelt und trotzdem waren ihm viele Patzer unterlaufen, die ihn maßlos ärgerten. Er nahm sich vor, sich demnächst in der Leihbücherei einen Leseausweis zu besorgen. Seine Mutter quengelte seit langem, dass er ihrer zu selten Bücher las. Da hatte sie wahrscheinlich auch Recht, aber das sollte sich jetzt ändern. Er wollte schließlich im nächsten Jahr in den Fußballverein eintreten dürfen.
Zwei Wochen vor den Herbstferien rief sein Vater an und lud ihn ein, die Ferien bei ihm zu verbringen. Er müsse zwar arbeiten, wolle aber während der Ferienzeit etwas kürzer treten. Und über Tag hätte er ja auch seine alten Kumpels, um sich die Zeit zu vertreiben. Außerdem sei Barbara während der Ferien auch zuhause.
Ralf hatte die Einladung, aus einem ersten Impuls heraus, zunächst schroff abgelehnt. Als seine Mutter davon erfuhr, schimpfte sie. »Hör mal, Ralf, ich kann ja verstehen, dass du wütend auf deinen Vater bist. Überdenke deine Entscheidung dennoch, er meint es doch gut.«
»Pah, gut! Wenn ich das schon höre. Und was wird dann aus dir? Was wirst du hier in der Stadt alleine machen? Ich kann dich doch jetzt nicht allein lassen. Das bist du
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