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Ich weiss, dass du luegst

Ich weiss, dass du luegst

Titel: Ich weiss, dass du luegst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Ekman
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CIA-Angestellten Aldrich Arnes 1994 wegen Spionage zutage. Neun Jahre lang hatte Arnes den KGB mit Informationen über alle Russen versorgt, die mit der CIA zusammengearbeitet hatten, woraufhin einige von ihnen hingerichtet wurden. Ames verhielt sich nicht gerade unauffällig. Er hatte das Geld, das ihm die Sowjets gegeben hatten, großzügig für ein Haus und ein Auto ausgegeben, die er sich von seinem Gehalt eigentlich nicht hätte leisten können. Sandy Grimes, eine CIA- Expertin für Spionageabwehr, überführte Arnes schließlich und beschrieb ihre Arbeit folgendermaßen: «Deine größten Erfolge, deine wunderbarsten Siege sind deine schlimmsten Niederlagen. Wenn du einen Spion auffliegen lässt, bedeutet das doch offensichtlich, dass es ein Problem in der Institution gegeben hat. Warum hast du diesen Kerl also nicht früher erwischt!»
    Eine fünfte Erklärung basiert auf Erving Goffmans Schriften.| 15 Wir werden erzogen, höflich zu sein und keine Informationen zu erzwingen, die uns nicht freiwillig gegeben werden. Ein recht bemerkenswertes Beispiel dafür ist unser unbewusstes Abwenden des Blicks, wenn jemand, mit dem wir sprechen, seine Ohren reinigt oder in der Nase bohrt. Goffman würde zusätzlich noch die Ansicht vertreten, dass die falsche Botschaft manchmal auf sozialer Ebene wichtiger ist als die Wahrheit. Es geht um die Information, für die die Person, die sie verbreitet, die Verantwortung zu übernehmen bereit ist. Wenn die Sekretärin, die sich wegen eines Streits mit ihrem Ehemann am Abend zuvor mies fühlt, auf die Frage ihres Chefs, wie es ihr gehe, «Prima» antwortet, kann diese falsche Botschaft wichtig für die Zusammenarbeit mit ihrem Chef sein. Sie gibt ihm zu verstehen, dass sie ihren Job erledigen wird. Die wahre Botschaft, nämlich dass es ihr schlechtgeht, will er wahrscheinlich überhaupt nicht wissen, solange sie sich von diesem Umstand bei ihrer Arbeit nicht beeinträchtigen lässt.
    Keine der Erklärungen beantwortet die Frage, warum die meisten Angestellten bei der Strafjustiz und beim Geheimdienst so schlecht bei der Identifizierung von Lügnern aufgrund von Verhaltenshinweisen abschneiden. Polizisten und Vernehmer in der Spionageabwehr verhalten sich ihren Verdächtigen gegenüber nicht vertrauensvoll. Sie kollaborieren nicht, wenn man versucht, sie hinters Licht zu führen, und sie haben keine Probleme damit, Informationen zu erzwingen, die man ihnen nicht freiwillig geben will. Warum schneiden sie dann nicht besser dabei ab, Lügner aufgrund von Verhaltenshinweisen zu entlarven? Vermutlich sind sie wegen einer hohen Grundrate des Lügens und wegen eines unzureichenden Feedbacks benachteiligt. Vermutlich werden sie von den meisten Menschen, mit denen sie zu tun haben, belogen. Die Grundrate des Lügens wird auf mehr als drei Viertel der Fälle geschätzt. Eine solch hohe Grundrate ist nicht optimal, um Wachsamkeit gegenüber subtilen Verhaltenshinweisen auf Täuschungen zu entwickeln. Die Ermittler orientieren sich allzu oft nicht daran, den Lügner ausfindig zu machen, sondern suchen Nachweise, um ihn festnageln zu können. Wenn sie einen Fehler machen und erfahren, dass jemand ungerechterweise bestraft wurde, kommt diese Rückmeldung zu spät und ist schon zu weit aus dem Zusammenhang gerückt, um noch korrigierend wirken zu können.
    Diese Tatsachen legen Folgendes nahe: Setzt man die Lügenermittler einer niedrigeren Grundrate des Lügens von rund 50 Prozent aus und gibt ihnen ein korrigierendes Feedback nach jedem Urteil, könnten sie sehr wohl lernen, exakter aus Verhaltensweisen auf Lügen zu schließen. Zurzeit wird dazu ein entsprechendes Experiment entwickelt. Man kann keine Genauigkeit von 100 Prozent erwarten, und aus diesem Grund ist es inadäquat, Urteile über vermeintliche Lügner als Beweise vor Gericht zuzulassen. Solche Urteile könnten jedoch, zumindest anfangs, eine solidere Basis für die Entscheidung sein, bei welchem Verdächtigen man weiterermitteln und wann man mehr Fragen stellen sollte, um zu klären, warum sich jemand ungewöhnlich verhalten hat.| b

    Fußnoten: | [nächstes Kapitel] /span>
    a. Ich möchte Helena Cronin von der London School of Economics für ihre Frage danken, warum wir uns durch die Evolution nicht zu besseren Lügenermittlern entwickelt hätten. Außerdem danke ich Mark Frank von der Rutgers University und Richard Schuster von der University of Haifa für ihre vielen hilfreichen Kommentare zu diesem Manuskript.| weiter

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