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Ich weiss, dass du luegst

Ich weiss, dass du luegst

Titel: Ich weiss, dass du luegst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Ekman
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nur Spekulationen über das Leben der Jäger und Sammler bleiben.
    In den 1980er Jahren sammelte ich folgende Erfahrungen in Papua-Neuguinea, einer steinzeitlichen Kultur, die nicht über Schrift verfügt.
    Es gab keine Räume mit Türen, folglich wenig Privatsphäre in diesem kleinen Dorf, in dem jeder jeden kannte und täglich sah. Am häufigsten wurden Lügen durch die Zielperson selbst aufgedeckt. Oder jemand beobachtete eine Handlung, die der Lüge widersprach, oder fand andere materielle Beweise. In dem Dorf wurde Ehebruch häufig durch Lügen verheimlicht. Solche Lügen wurden nicht aufgedeckt, indem man das Verhalten des Verräters beim Treueschwur beobachtete, sondern indem man im Busch über ihn oder sie stolperte. Lügen über Ansichten, Emotionen und Pläne wären in einer solchen Umgebung schon eher durchgegangen. Aber manche dieser Lügen führten zu der einen oder anderen Handlung, daher ließen sich Aktionen in einem Umfeld ohne Privatsphäre kaum verheimlichen oder verfälschen, was auch allgemein zutrifft.
    In einer Gesellschaft, in der das Überleben des Einzelnen von den gemeinsamen Anstrengungen der anderen Dorfbewohner abhing, konnte die Rufschädigung durch das Erwischtwerden beim Lügen, wenn viel auf dem Spiel stand, tatsächlich lebensgefährlich sein. Die Gefahr war groß, dass niemand mit jemandem zusammenarbeiten wollte, der bekanntermaßen einer ernsten Lüge überführt worden war. Man konnte nicht so ohne weiteres den Ehepartner, die Aufgabe oder das Dorf wechseln.
    Cheney und Seyfahrt vertreten in ihrem Kapitel über Täuschungen im Tierreich eine ähnliche Meinung. Ein wichtiger Vorbehalt gegen die Lüge

... ergibt sich aus der Sozialstruktur einer Art. Tiere, die in stabilen Sozialgruppen leben, haben spezielle Probleme bei jedem Versuch betrügerischer Kommunikation. Bei sozial lebenden Tieren werden betrügerische Signale wohl subtiler sein müssen und seltener eingesetzt werden, um nicht entlarvt zu werden. Genauso wichtig ist sicher ein weiterer Umstand: Bei Tieren, die in Gruppen leben und für die ein gewisses Maß an Kooperation lebenswichtig ist, wird allein der Zwang zur Kooperation die Häufigkeit reduzieren, mit der unzuverlässige Signale gesendet werden.| 11

    Für jemanden, der besonders geschickt war, Lügen aufzuspüren (vor allem aber sie überhaupt zu erzählen), hätte dies unter solchen Umständen keinen besonders großen Anpassungswert gehabt. Folgenschwere Lügen, bei denen viel auf dem Spiel stand, kann es nicht oft gegeben haben. Dafür gab es zu selten Gelegenheit, und die Kosten waren zu hoch. War man einer Lüge auf der Spur oder hatte man eine entdeckt, dann wahrscheinlich nicht durch die Beurteilung von Verhaltensweisen. (Hier geht es nur um gruppeninterne Lügen. Natürlich finden Lügen zwischen Gruppen statt, und deren Kosten und Entlarvung können völlig andere Dimensionen annehmen.)
    Obwohl es altruistische Lügen gibt, ist es bei dieser Diskussion um die weniger freundlichen Lügen gegangen, die geschehen, wenn eine Person einen Vorteil gewinnt, und zwar häufig auf Kosten der Person, der diese Lüge gilt. Kommt der Vorteil durch die Verletzung einer Regel oder durch die Enttäuschung einer Erwartung zustande, ist das Betrug. Lügen sind manchmal erforderlich, um ein Täuschungsmanöver zu machen. Wenn Lügen im Spiel sind, muss die Täuschung stets verheimlicht werden. Die Betrogenen sind natürlich nicht begeistert davon, getäuscht worden zu sein, und sind motiviert, alle entsprechenden Lügen aufzudecken. Doch offenbar sind Täuschungen nicht oft genug in den Lebensumständen unserer Ahnen vorgekommen, um jenen Individuen Vorteile zu verschaffen, die vielleicht ungewöhnlich geschickt waren, sie zu entdecken. Wie bereits erwähnt, gab es wahrscheinlich so wenig Privatsphäre, dass nicht aus Verhaltensweisen auf Täuschungen geschlossen wurde, sondern Vergehen mit anderen Methoden aufgedeckt wurden. Der Biologe Alan Grafen| 12 schrieb:

Täuschungsmanöver dürfen nicht allzu häufig vorkommen, damit Signale im Durchschnitt ehrlich sind. Da Signalsender ihre Angepasstheit maximieren, lässt sich folgern, dass es nur selten Anlässe gibt, bei denen Betrug vorteilhaft ist. Vielleicht sind Signalsender, die von einer Täuschung profitieren können, in der Minderheit, oder ein Schwindel lohnt sich für einen Signalsender nur in wenigen Fällen. In evolutionär stabilen Signalsystemen wird davon ausgegangen, dass Täuschungsmanöver vorkommen, aber

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