Ich weiß, was du letzten Sommer getan hast
erste Mal, dass sie etwas sagte, seit er sie abgeholt hatte. Ihre Stimme klang so dünn wie die eines verlorenen Kindes.
»Ich habe Channel Five geschaut. Mache ich oft in letzter Zeit. Jemand, den ich gut finde, moderiert dort manchmal den Wetterbericht.«
»Ich kann das einfach nicht glauben«, sagte Helen. »Ich kann nicht glauben, dass das wirklich passiert ist. Warum sollte irgendjemand auf Barry schießen?«
»Sag du’s mir«, entgegnete Collie. »Er ist schließlich dein Freund. Hatte er Feinde?«
»Ne in«, antwortete Helen, ohne zu zögern. »Barry ist bei allen beliebt. In der Zwölften ist er sogar zum beliebtesten Schüler des Jahrgangs gewählt worden. Und mich haben alle Mädchen immer gehasst, weil ich seine Freundin bin.«
»Vielleicht war es ein Raubüberfall.«
»Auf dem Campus? Studenten haben normalerweise eher nicht besonders viel Geld bei sich.«
»Drogen?«
»Barry nimmt keine Drogen. Er raucht höchstens ab und zu einen Joint, aber man schießt doch nicht auf jemanden, nur um an ein bisschen Gras zu kommen.« Ihre Stimme zitterte. »Ich liebe ihn, Collie. Und er liebt mich. Wir werden heiraten, sobald er mit dem Studium fertig ist, vielleicht auch schon vorher. Ich verdiene beim Sender so viel Geld, dass ich uns eine gemeinsame Wohnung finanzieren könnte, solange er noch studiert …«
»Das ist toll.«
»Barry findet das nicht so toll. Er will nicht, dass seine Frau arbeiten gehen muss. Ganz schön altmodisch von ihm, oder? Trotzdem irgendwie auch süß. Er ist so ein wunderbarer Mensch! Wir sind schon seit zwei Jahren zusammen. Ich war gerade auf dem Heimweg von der Schule, als er in seinem Wagen neben mir hielt und mir anbot, mich nach Hause zu fahren. Er hat gesagt, er hätte mich gesehen und hätte nicht weiterfahren können, weil er mich so hübsch fand!« Sie errötete.
»Er hat recht gehabt«, sagte Collie, obwohl von ihrer Schönheit im Moment nicht viel zu sehen war, und drückte kurz ihre Hand.
»Hör zu, Helen. Wenn wir gleich im Krankenhaus sind, solltest du versuchen, dich zusammenzureißen, okay? Es hilft weder dir noch deinem Freund, wenn du durchdrehst. Ich habe den Eindruck, dass du eigentlich ziemlich stark bist und in einer Notsituation nicht so schnell die Nerven verlierst.«
»Normalerweise bin ich das auch«, sagte Helen. »Aber Barry ist angeschossen worden … Ich weiß nicht, ob er überlebt.«
»In ein paar Minuten weißt du mehr. Versuch einfach, ruhig zu bleiben, das ist im Moment das Beste, was du tun kannst.«
Helen legte ihm eine Hand auf den Arm. »Du kommst doch mit rein, oder?«
»Wenn dir das lieber ist, komme ich natürlich gerne mit.«
Den Rest der Fahrt legten sie schweigend zurück, nur begleitet von der Musik, die verstummte, als Collie den Motor abstellte.
Im Eingangsbereich des Krankenhauses war um diese Zeit kaum etwas los. Die Frau am Aufnahmeschalter schickte sie in den zweiten Stock, wo eine Schwester sie einen Gang entlang zu einem kleinen Wartezimmer führte, in dem bereits mehrere Leute saßen.
»Mrs Cox!« Helen eilte auf eine schmalgesichtige blonde Frau in einem beigen Hosenanzug zu.
Der beleibte grauhaarige Mann, der neben ihr saß, wirkte erschöpft und kraftlos. Er machte Anstalten, sich zu erheben, doch Mrs Cox brachte ihn mit einer kurzen Geste dazu, sitzen zu bleiben.
»Hallo, Helen«, grüßte sie kühl. »Ich bin überrascht, dich hier zu sehen.«
»Überrascht?«, wiederholte Helen perplex. »Aber es ist doch selbstverständlich, dass ich jetzt bei Barry sein will! Oh, Mrs Cox, es ist so schrecklich! Ich kann einfach nicht glauben, dass das wirklich passiert ist!«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen, und sie streckte die Hände nach Barrys Mutter aus, um sie zu umarmen. Mrs Cox zuckte unmerklich zurück und deutete auf die anderen Leute im Raum.
»Myrna, Bob – das ist Helen Rivers, eine frühere Mitschülerin von Barry. Das sind die Crawfords, liebe Freunde und Nachbarn.«
»Freut mich«, sagte Helen höflich. Die versteinerten Gesichter von Barrys Eltern schienen sie zu verwirren. Sie drehte sich zu Collie um. »Das ist Collingsworth Wilson, er ist ein Freund. Wir sind Nachbarn im Four Seasons.«
»Barry hat sehr viele Freunde«, entgegnete Mrs Cox schneidend, »und ich bin froh, dass die meisten von ihnen so viel Taktgefühl besitzen, uns nicht unnötig zu belästigen. Das hier ist kein Zirkus, Helen. Es gibt nichts zu sehen. Es ist mein Junge – mein Junge –, der schwer verletzt auf dem OP
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