Ich weiss, wie du tickst: Wie man Menschen durchschaut (German Edition)
näherungsweise auf zwei Achsen einordnen können: Die eine Achse steht für die beiden Pole extravertiert und introvertiert, die andere für die Pole Menschenorientierung versus Zahlen-, Daten- und Faktenorientierung. Nehmen wir folgenden Fall an: Ein extravertierter Mensch, der auf andere geradewegs zugeht, behandelt einen anderen genauso, wie er selbst behandelt werden möchte, nämlich offen und kommunikativ. Der Gesprächspartner ist jedoch in unserem Beispiel introvertiert und eher faktenorientiert. Darum versteht er gar nicht, was der andere von ihm möchte, denn er tickt ganz anders. Er kann mit den Argumenten und der Vorgehensweise des anderen nichts anfangen und versteht ihn gar nicht. Beide reden aneinander vorbei; schlimmstenfalls kommt es zu Missverständnissen.
Um mit unserem Gegenüber so umzugehen, wie er das möchte, müssen wir zuerst einmal wissen, was ihm überhaupt wichtig ist. Was motiviert ihn, was treibt ihn an, was sind seine Wünsche und Vorstellungen? Mit anderen Worten: Herauszufinden, wie der andere tickt, ist eine Frage der Menschenkenntnis .
Menschenkenntnis ist die Fähigkeit, das Verhalten oder die Persönlichkeit eines Menschen richtig einzuschätzen, zu erkennen und zu beurteilen, und vorherzusehen, wie er denken und handeln wird. Anders ausgedrückt: Menschenkenntnis heißt, die Verhaltensweisen des anderen zutreffend zu erkennen und sich darauf einzustellen.
Entscheidende Faktoren für diese Fähigkeit sind Lebenserfahrung, Intuition, Intelligenz und Weisheit. Menschenkenntnis ist nicht angeboren, sondern sie wird durch den Umgang mit vielen Menschen erworben. Ihnen ist sicher das Gefühl vertraut, dass ein Mensch, den Sie kennenlernen, Sie an «jemand anderen» erinnert. Und je nachdem, ob Sie mit der Person früher gute oder schlechte Erfahrungen gemacht haben, bewerten Sie auch Ihr neues Gegenüber und versuchen, den Menschen entsprechend zu behandeln. Unsere Menschenkenntnis besteht meist aus «unsystematischen Beobachtungen», die wir in manchen Alltagssituationen eher «zufällig» gemacht haben – und die darum auch falsch sein können. Spätestens wenn der andere dann doch nicht so reagiert, wie wir es uns wünschen oder erwartet haben, wissen wir, dass wir mit unserer Einschätzung daneben liegen, dass uns unsere Menschenkenntnis getäuscht hat.
Das ist auch insoweit nicht erstaunlich, als Menschenkenntnis nirgendwo gelehrt wird. In der Schule, während der Ausbildung und im Beruf wird einseitig nur auf den Erwerb von Sachwissen Wert gelegt. Führungspositionen zum Beispiel werden fast ausschließlich aufgrund fachlicher Qualifikationen vergeben. Der Sachverstand wird einseitig über den Menschenverstand gesetzt, dementsprechend gibt es bei uns viele «Sachverständige», aber nur wenige «Menschenverständige». Tatsächlich ist es jedoch so, dass der Erfolg eines Menschen nur zu etwa 15 Prozent vom Sachverstand abhängt, zu 85 Prozent jedoch von der Persönlichkeit. Und Merkmal einer entwickelten Persönlichkeit ist es immer, dass sie gut mit anderen Menschen umgehen kann, also Menschenkenntnis besitzt und anwendet.
«In einer Welt voller Menschen ist Menschenkenntnis der Schlüssel zum Erfolg - und zum Lebensglück.» (Stöger/Jäger, S. 12)
Vom ersten Eindruck zur professionellen Menschenkenntnis
Wir können verschiedene Grade von Menschenkenntnis unterscheiden – je nachdem, wie tief bzw. zutreffend unsere Einschätzung von Menschen ist. Die Menschenkenntnis des ersten Eindrucks ist diejenige, die es uns erlaubt, andere auf Anhieb einzuschätzen. In dieser Hinsicht verfügen wir alle über eine gute Portion Menschenkenntnis, denn sonst kämen wir im täglichen Zusammenleben mit anderen überhaupt nicht zurecht.
Dennoch kann der erste Eindruck auch falsch sein, wie eine wissenschaftliche Studie ermittelt hat: Versuchspersonen waren bereits nach 250 Millisekunden in der Lage, jemanden als autoritär, gefühlsbetont, sympathisch, hinterhältig, intelligent oder langweilig einzustufen. Schon die schemenhafte Wahrnehmung fremder Gesichtszüge reichte aus, um die Charaktereigenschaften des Wahrgenommenen zu bewerten. Beinahe überflüssig zu erwähnen, dass mehr als genug Vorurteile und Fehleinschätzungen in solchen Bewertungen stecken! Schlimmer noch: Die Versuchspersonen waren nicht in der Lage, das einmal gefällte Urteil bei einer gründlicheren Betrachtung der Gesichter zu revidieren oder infrage zu stellen. Allzu oft läuft die ungeschulte Menschenkenntnis
Weitere Kostenlose Bücher