Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich will dir glauben

Ich will dir glauben

Titel: Ich will dir glauben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
Vom Netzwerk:
endlich Ihre Version des Tathergangs erzählen?« Mit bohrendem Blick sieht er mich an, als stünde ich schon jetzt vor Gericht.
    Ich schaue zu Marta und frage mich, ob es Sinn macht, dass sie noch bleibt. »Es ist besser, du gehst jetzt.«
    Sie erhebt sich und, indem sie mir ein Zeichen macht, sitzen zu bleiben, beugt sie sich zu mir herab und gibt mir einen Kuss. »Hör auf ihn, Doris. Bitte. Und tu, was er sagt. Wir hören uns später.«
    Sobald wir alleine sind, ändert sich sein Ton. »Jetzt mal von Anfang an.«

13
    Funi ist indes in San Siro eingetroffen. Eine frische Brise weht durch die Stadt und trägt aus dem nahen Hippodrom das Wiehern von Pferden herüber, was dem Stadtviertel schon fast einen ländlichen Charakter verleiht. Ein tiefblauer Himmel spannt sich über die Dächer. Alles ist ordentlich, die Straßen sauber, die Häuser gepflegt. Die Gärten mit ihren Zierbäumen sind noch grün. Funi sucht nach der Adresse. Via dell’Ippodromo, da ist es. Ein Tor verdeckt die Sicht auf den Garten, aber zwischen zwei Büschen erhascht er einen Blick auf die Jugendstil-Fassade des Hauses, einige freilaufende Hunde und noch etwas anderes, Undefinierbares.
    »Guten Tag«, grüßt der hochgeschossene, hagere Mann. Er pfeift die Wachhunde zurück und schließt das Seitentor auf.
    »Kommen Sie doch rein.« Dann geht er den Weg zum Haus voraus. Funi folgt ihm schweigend und sieht sich im Garten um. Nach einigen Schritten bleibt der Mann stehen. »Da sind sie. Als wir heute Morgen aufgewacht sind, haben wir unseren Garten in diesem Zustand vorgefunden.«
    Der Rasen ist auf Millimeter genau getrimmt. Einige Rosensträucher lassen schon Knospen erkennen, und das Grün der Heckenumpflanzung ist von Blüten weiß gesprenkelt. Etwas abseits im Garten sind drei riesige, aufrecht stehende Kreuze in den Boden gerammt. Alle drei aus schwerem dunklen Holz. Drei Meter hoch und etwa zwei Meter breit. Funi schweigt. Durch Fragen versucht er, sich dem Rätsel zu nähern: Kunstobjekte? Fremdartige Skulpturen? Ihm fällt auf, dass die Mulden unter den Kreuzen noch frisch sind und kleine Erdhaufen und Grasschollen um den Sockel herumliegen. Er verwirft den Gedanken, es könne sich hier um ein exzentrisches Kunstobjekt handeln. »Wann sind Sie zu Bett gegangen?«, beginnt er, während er nebenbei abzuschätzen versucht, welchen Kraftaufwand das Aufstellen derartiger Kreuze gekostet haben muss.
    »Gegen eins. Wir haben mit Freunden Bridge gespielt, und danach ist jeder wieder zu sich nach Hause gegangen.«
    »Und Sie haben in der Nacht nichts gehört? Kein Geräusch?«
    »Nein, nichts. Wir nehmen immer ein Schlafmittel, bevor wir zu Bett gehen. Nicht einmal das Bellen der Hunde haben wir gehört.«
    »Werden sie denn nicht angekettet?«
    »Nein. Aber sie tun nichts. Sie sind keine Wachhunde. Sie bellen, aber beißen nicht. Daran ist meine Frau schuld.« Er setzt ein höfliches Lächeln auf.
    »Ich hätte auch gern mit ihr gesprochen. Ist sie zu Hause?«
    »Natürlich. Kommen Sie. Möchten Sie Kaffee?«
    Schöne Kreuze , denkt Funi bei sich, ohne den Blick von ihnen zu lassen. Erhaben, makellos. Er denkt an ihre ursprüngliche Bedeutung, während er nun in die Förmlichkeit und den Glanz einer weit in die Vergangenheit reichenden, vornehmen Bourgoisie eintaucht. Er konnte das am nüchternen Geschmack und den eleganten Umgangsformen erahnen, die im Zeichen der Tradition gepflegt und über mehrere Generationen hinweg angesammelt worden waren. Eine bestimmte menschliche Kategorie, die nicht von heute auf morgen aus schnellem Reichtum entstanden, sondern von der Zeit vollendet und geschliffen worden war wie sanfte Wellen, die einen Felsen umspülen.
    Im Haus herrscht ein angenehmer Geruch. Die Zimmer waren am Morgen bereits gelüftet worden, antike, frisch gewachste Möbel verströmen ihren Duft. Eine leichte Note von würzigem Tabak hängt im Raum, und, wie man in einer Vitrine unschwer erkennen kann, verfügt der Hausherr über eine ganze Sammlung an Pfeifen. Funis Blick fällt auf ein geschnitztes Modell aus weißem Meerschaum.
    Die Hausherrin ist eine attraktive Frau, auch sie schlank und hochgewachsen. Sie ist in einen knielangen grauen Rock und eine blaue Strickweste gekleidet, ihre ergrauten Haare sind zu einem vollen Pagenkopf frisiert. Ihre großen blauen Augen hat sie durch einen leichten Lidstrich betont. Hinter ihr hängt eine Schwarz-Weiß-Fotografie, die sie jung und schön, mit einem Kind auf dem Arm und einem Hund an der

Weitere Kostenlose Bücher