Ich will doch nur normal sein!
Schuld daran, was da täglich mit mir passiert. Und zum Schluss denken wir nur noch, ich habe nichts gesagt, also bin ich selbst schuld. Ich habe nichts gesagt, also hatte ich wohl gar nichts dagegen. Also war es wohl gar nicht so schlimm.
Nein – keine ist Schuld daran, wenn ihr so etwas passiert! KEINE!
Ich war 3 Jahre alt und es geschah zum ersten Mal. Es war mein allerliebster Opa, ich hatte ihn wirklich am liebsten. Ich konnte nicht begreifen, was da auf einmal geschah, was er da tat. Oh verdammt, es tat so sehr weh und war richtig eklig.
Ich hatte Angst vor meinem Opa. Ich hatte noch nie Angst vor meinem Opa. Aber heute hatte ich Angst vor ihm und ich war froh, als er wieder lieb zu mir war und sagte: „Es ist nichts passiert, es ist nicht schlimm und beim nächsten mal wird es schöner.“ Ich wollte kein nächstes Mal. Ich wollte nur, dass er wieder so lieb ist, wie immer und das war er dann auch jedes Mal danach. Was hätte ich denn tun können? Sagen durfte ich nichts. Er sagte mir, es würde mir sowieso keiner glauben und dann schämte ich mich auch viel zu sehr um etwas zu sagen.
Was hätte ich denn tun können? Heute frage ich mich, wieso habe ich damals nichts gesagt? Ich weiß es nicht. Später kamen dann noch andere dazu und es passierte jeden Tag. Es war eben so, ich kannte es nicht anders, wusste nicht, ob es woanders auch so ist – habe mich aber aus Scham auch nie getraut, zu fragen.
Meine Mutter sagte einmal: „Mädchen, warum hast du nie etwas gesagt?“
Klasse! Wunderbar!
Mit dieser Frage hat sie mich schuldig gesprochen – ich fühlte mich sowieso immer schon schuldig, aber von meiner Mutter hatte ich gehofft, sie hilft mir. Doch diese Frage ist doch eine Schuldzuweisung. Denn, hätte ich was gesagt, hätte sie mir geholfen, also bin ich selber Schuld, dass es so weiterging und weiterging, bis ich 23 Jahre alt war. Ich bin Schuld – weil ich geschwiegen habe. Wie kriegen die das nur hin, dass wir denken, wir sind selbst schuld daran oder noch eine andere Variante.
Die Variante meines Stiefvaters: „Meine kleine Prinzessin.“
Ich kann nichts dafür, ich habe dich viel lieber als Mutti, aber das darf keiner erfahren. Denn, wenn es jemand erfährt, dann bringt sich die Mutti um, ich komme ins Gefängnis und ihr 3 ins Kinderheim.
Diese Variante funktionierte auch prima, man bekommt als Kind die Verantwortung über das Schicksal der Familie übertragen und aus Angst um Mutti und die Brüder, schweigt man – wie man eben schweigen soll, damit sie mit uns tun können, was sie wollen. Ich habe immer gedacht, ich bin selbst schuld, weil es so viele gewesen sind. Vati, Opa, Bruder, die Freunde meines Bruders usw. Gefragt, ob ich das möchte, hat mich aber auch nie jemand – nie! Sie haben es eben einfach getan.
All das platzte aus mir heraus und ich hätte noch weiter reden können immer weiter und weiter, aber ich war so außer Atem und ich wusste jetzt, ich bin nicht schuld, genau so wenig Schuld, wie jede Andere, der so etwas passiert
Das zu kapieren ist so wichtig, ist lebenswichtig – weil wir immer die Schuld zugesprochen kriegen, meist schon durch die Täter, den lieben Opa, den lieben Vati oder den lieben eigenen großen Bruder. Und, wenn wir Pech haben, da gibt es dann noch Mütter, die sagen, du lügst, so etwas macht der oder der nicht, du lügst, erzähl so was nie wieder.
Die Mutti lässt dich im Stich. Dein Vertrauen ist hin und dann gibst du dir doch selbst die Schuld, weil ja die „liebe Mama“ gesagt hat, du lügst, es ist nicht wahr.
Es ist so einfach, nicht zu helfen!
Es ist so schwer zu helfen!
Wieso? Denk doch nach, kommt es raus, gibt es großes Theater, viel Unruhe, evtl. Gefängnis für Vater und, wer versorgt dann die Familie? Was ist also wichtiger? Lieber ruhig sein, schweigen, wegsehen – nicht auffallen, so trifft es eben nur einen, nämlich dich und nicht die ganze liebe Familie. „Da bist du wenigstens nicht Schuld am Unglück der Familie.“
So einfach ist das und so schnell ist oft geklärt, ob geholfen wird, oder ob weggesehen wird. Ist schon toll, wenn man später so die Prioritäten erkennt und feststellt, warum es weiterging, weggesehen wurde und keiner geholfen hat.
Ja, meine Mutter hätte mir auch nicht geholfen, wenn ich sie nicht unbewusst, dadurch, dass ich es zuerst in meiner Angst der Mutter meiner Freundin erzählt habe, gezwungen hätte, zu reagieren, denn sonst hätte es die Mutter meiner Freundin angezeigt. Aber so war
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