Ich will doch nur normal sein!
ich dann eben auch sehr schnell weg vom Fenster.
Meine Mutter wusste nichts Besseres zu tun, als mich sofort nach der Verhandlung wegzugeben und sich nie wieder nach mir umzusehen. Ich war einfach weg von zu Hause, mich gab es nicht mehr. So kann man auch jemand fürs Reden bestrafen.
Ich hatte keine Mutter mehr, keine Brüder mehr und niemanden mehr, den ich kannte. Ich kam einfach woanders hin und sie war mich los. Ich hätte ja auch besser den Mund halten können oder?
Das alles ging mir durch den Kopf als ich so wütend war und ich dachte auch daran, ich wurde bestraft, wurde verurteilt, weil ich so ein verdammtes Schwein, das sich an meiner Pflegetochter vergriffen hatte, angezeigt habe. Ich wurde angezeigt wegen falscher Beschuldigung usw.
Ich wurde bestraft, nicht der Täter, der hat gelacht und konnte heimgehen. Zur Berufungsverhandlung war er dann leider tot. Klasse – so konnte er nicht mehr verurteilt werden. Ja, so ist das, wenn Männer Anwälte und Richter sind und auf dem Jugendamt Frauen sitzen, die nur ihren Stuhl warm halten, statt ihre Arbeit zu machen.
Was ich auch noch satt habe ist, dass jeder, der gesehen hat, wie schlecht es mir ging, meinte, er müsste mich bedauern. Streicheln, Küsschen, Umarmungen und ich habe es gehasst, dieses Mitleid, dieses bedauert werden. Ich habe es gehasst und mich dadurch immer schlechter gefühlt und immer gedacht: „Verdammt, wie können die alle Mitleid haben, wo ich doch gar nicht wütend bin, dass mir das passiert ist.“ Jede Mitpatientin, der ich über den Weg lief, drückte mich, streichelte mich, gab mir Küsschen wie einem kleinen Mädchen. Das hat mir immer mehr ein schlechtes Gefühl gegeben, weil ich mich schuldig fühlte ohne Wut. Früher, als ich klein war, da war auch keiner da, der Mitleid hatte und jetzt will ich auch nicht behandelt werden wie ein kleines Mädchen. Es macht mich wütend immer so behandelt zu werden.
Ich will das nicht, ich habe es satt und, was würden die wohl denken, wenn die wüssten, dass ich nicht gesagt habe, ich will das nicht und nie, bis heute nie wütend deswegen war. Was würden die wohl dann denken? Wie würden die mich wohl dann ansehen? Wie würden die mich wohl dann behandeln? Mit Sicherheit nicht mehr mit Streicheleinheiten.
Ich bin nicht so, wie die denken. Ich bin nicht normal!
Alle, die ich bisher getroffen habe und mit denen ich mich hier in den letzten 10 Jahren unterhalten habe, hatten Wut. Nur ich nicht. Keiner weiß, wie das ist, sich so zu fühlen „so schuldig, ohne Wut“. Alle bedauern dich, du willst es nicht, weil du kein Recht hast, bedauert zu werden, weil du ja nicht einmal ein bisschen wütend bist. Das ist doch nicht normal! Immer habe ich gesagt, ich will nichts, ich will doch nur normal sein und mich nicht ständig schämen müssen, verstellen müssen, weil ich eben nicht wütend bin. Immer und immer wieder war ich fassungslos und konnte es nicht begreifen und habe mich schuldig gefühlt deswegen. Habe aber nie etwas gesagt, nie gewagt, zu sagen wie ich bin.
Doch, meinem Therapeuten habe ich ein paar Mal versucht klarzumachen, dass ich gar nicht so bin, wie er mich einschätzt. Ich bin schlecht, ich muss nicht bedauert werden. Er hat mich nie begriffen, mir nie glauben wollen, wie ich wirklich bin. Das hat mich echt sauer gemacht. Sonst habe ich nie gewagt, zu sagen, wie ich wirklich bin, dass ich nicht normal bin, dass ich so eine bin, der das nie etwas ausgemacht hat. Ich will nur eines, sie sollen mich behandeln, wie einen erwachsenen Menschen Und vor allem so, wie sie jeden anderen auch behandeln. Ich hasse es und es macht alles für mich noch viel schlimmer, bedauert und gehätschelt und getätschelt zu werden.
Aber wer kann das schon begreifen, wie man sich da fühlt.
Ich habe alles so satt, die Erinnerungen, die Flashbacks, die Schmerzen, die Nächte ohne Schlaf und ich will nur eines, endlich normal leben, mich normal fühlen können
Das alles habe ich gesagt und dann habe ich gemerkt, ich habe keine Schmerzen mehr in den Armen.
Ich bin normal – ICH HABE WUT – ich bin nicht anders – ich muss mich nicht schämen.
Ich habe vor Freude geheult, weil auch ich endlich Wut habe. Ja, ich habe die Wut gefunden. Nein, das ist nicht richtig ausgedrückt, die Wut ist aus mir heraus gebrochen, ist aus meinem Inneren explodiert. Ich hätte nie gedacht, dass ich so eine riesige Wut haben kann, dass sie da ist, in mir ist.
Ich bin also doch nicht schlecht.
ICH BIN NORMAL.
Es
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