Ich will doch nur normal sein!
neugierig,
gelangweilt,
interessiert,
fasziniert sehen sie mich an.
Ich sehe sie mit Angst, Schmerz und um Hilfe bettelnd an,
Sie sehen das und genießen es, ja, sie genießen meine Schande,
Schmach und Schmerz.
Es tut weh, was passiert.
Es ist eklig, was passiert.
Es ist so erniedrigend, was passiert.
Am Schlimmsten ist, dass kein Augenpaar mir helfen will.
Ich sehe sie die vielen Augen, fühle die Schande, den Schmerz,
meine Einsamkeit, das Ausgeliefertsein.
Tot möchte ich sein – weg von hier – sicher sein, Frieden und Ruhe haben.
Ich möchte keinen mehr umsonst mit den Augen anflehen!
„ Hilf mir bitte!“
Sie werden nicht helfen.
Sie kommen später auch noch um mich zu benutzen,
zu beschmutzen und um meine Schande zu genießen.
Wenn sie zu Hause sind, wie sind sie dann?
Anständige, nette Leute von nebenan?
Väter und Mütter, die auch Kinder haben?
Sie werden nicht daran denken wie es mir geht, dass ich lieber tot wäre,
als so weiter zu leben. Dass ich sowieso dabei gestorben bin – jedesmal –,
immer wieder.
Ich bin lebendig – tot und muss noch lächeln.
17.10.2002 (Tina 50 Jahre alt)
Körperlos
Ich war mit dem Kopf da, habe gesehen, was geschah – nichts gespürt.
Mein Körper ist weg.
Ich bin oben unter der Decke des Zimmers, beobachte, was geschieht.
Spüre nichts.
Wie alt bin ich?
5 Jahre, 7 Jahre, 9 Jahre, 23 Jahre?
Egal, wie alt. Es geschieht immer.
Egal, wer. Einer ist immer da.
Ich spüre nichts – beobachte.
Mein Körper ist weg, das ist gut,
ich kann ihn nicht leiden.
Ich brauche ihn nicht – die anderen brauchen ihn – immer wieder!
Ich nicht - ich brauche ihn nicht.
20.02.2002 Tina
Flashback
So ist ein Flashback für mich.
Wenn ich es wieder und wieder erlebe, was passiert ist.
Was mir mein Opa angetan hat und sein Bekannter.
Es ist schlimm, wenn alles nocheinmal passiert,
so als würde es zum erstenmal passieren.
Die Angst, der Schmerz, das Grauen, die Enttäuschung
Und keine Hilfe!
Das ist wie ein Horror -Film!
15.05.2002 Tina
6.11.2003
Jetzt bin ich mir sicher, dass ich total nerve, weil Schwester H. Herrn Dr. S. noch einmal wegen mir anruft (hätte ich bloß meine dämliche Klappe gehalten). Ich bin jetzt so drauf, dass ich mich am liebsten umbringen würde, weil ich die letzten zwei Tage nicht weiß, wie ich bin, wie ich mich verhalten habe, weil ich keine Kontrolle habe, nicht weiß, was los war und das ist peinlich, wenn ich nicht weiß, wie ich bin und mich verhalte und keine Kontrolle habe.
Ich denke ganz einfach, so fängt es an, wenn man verrückt wird.
Verrückt werden will ich nicht, so ein Leben will ich nicht, da bringe ich mich eher um, als mein restliches Leben irre rum zu laufen. Das ist überhaupt nicht zu beschreiben, wenn man zwei Minuten im Hier ist und die Hälfte des Satzes den das Gegenüber gerade sagt, versteht und den Rest nicht mitkriegt und ganz woanders ist.
Es ging gestern so hin und her, du tauchst auf und tauchst wieder ab. Gestern waren Momente, ich kam mir lächerlich und blöd vor und dann weiß ich nicht, wie dämlich ich mich verhalte und was man von mir denkt. Ich finde es jedenfalls total schlimm und auch anstrengend und peinlich zugleich. Nun sagt mir Herr Dr. S. auch noch, nachdem Schwester H. ihn angerufen hat und gesagt hat, was ich ihr mitgeteilt habe, es sei normal und auch das ein normaler Prozess und kam sofort auf Station. Er hat gelächelt und gesagt: „Gut so, machen sie weiter so“, und mir auf die Schulter geklopft.
Ich glaub es einfach nicht, ich fühle mich total irre und er sagt: „Gut so, machen Sie weiter so.“
Klar weiß ich, ich war heute und gestern total nervig und habe wertvolle Zeit beansprucht und genau das ist mir peinlich und das will ich gar nicht. Es wäre wahrscheinlich besser gewesen, ich hätte nichts gesagt, da hätte er nicht schon wieder wegen mir auf Station kommen müssen. Das wollte ich nicht.
„Gut so, machen Sie weiter so!“
Also wird es noch weitergehen, also ist noch nicht Schluss. Ich kann es nicht fassen. Er lächelt und sagt ganz locker und freundlich: „Gut so, machen Sie weiter so!“
Gerade so, als würde ich was Tolles tun, ’ne Superleistung vollbringen. Dabei fühle ich mich total durcheinander und verwirrt.
ICH FINDE ES NICHT GUT SO UND MÖCHTE NICHT SO WEITER-MACHEN! UND ICH FINDE DAS NICHT ZUM LÄCHELN: ICH FÜHLE MICH IRRE!
Ehrlich gesagt, kam ich mir in diesem Moment verscheißert vor und es
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