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Ich will doch nur normal sein!

Ich will doch nur normal sein!

Titel: Ich will doch nur normal sein! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tina J.
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wenn ich es einfach nicht mehr aushalte? Es gibt nur eine Möglichkeit, einen einzigen Raum und zwar, wenn ich zur Einzeltherapie zur Herrn Dr. Sanchez gehe. Aber auch dort ist es schwierig, zu reden, weil ich Angst habe und weil ich mich schäme. Angst es einfach einem Menschen zuzumuten, sich das anzuhören und schämen, weil ich dann weiß, dass er das von mir weiß und ich wieder ein Stück von mir preisgegeben habe und damit einen Anderen belastet habe.
    Ich weiß nicht, warum es so wichtig ist, das loszuwerden, dabei ist es so schwer, es mitzuteilen. Dann ist da die Angst, was wird er sagen, wie wird er reagieren – immer und immer wieder ist die Angst da, weggestoßen zu werden, weil es zu eklig und zu belastend ist und eine riesengroße Zumutung von mir, dass jemand zu erzählen. Ich kann es ja schon gar nicht selbst erzählen, ich kann nur über den „Kassetten-Weg“ reden und dann habe ich Angst und denke, ich hätte es nicht tun sollen. Ich würde viel lieber schweigen, nichts sagen und, wenn es kommt und ich reden muss, solange schreien, bis es genug ist und es so ohne Worte und ohne jemand zu belasten los werden.
    Als ich das letzte Mal in meinem Zimmer geschrieen habe, das war deswegen und ich glaube, ich habe tierisch geschrieen und hätte wahrscheinlich noch sehr sehr lange geschrieen, doch die Schwester sagte, ich soll leise sein. Leise sein, wie immer und ich war leise – sofort. Ich konnte meine Arme nicht mehr an den Schrank schlagen, hielt mitten in der Bewegung inne. Und, ich konnte kaum noch atmen, weil ich dachte, ich bin zu laut.

    An diesem Tag habe ich kein Radio mehr laufen lassen und keinen Mucks mehr von mir gegeben. Ich bin vor Scham nur noch im Zimmer herumgeschlichen.
    Leise sein – sei still – schreie nicht, sonst ...
    Ich war mit einem Schlag ausgeschalten worden, abgestorben, erstickt bewegungslos. Keiner weiß, warum ich so geschrieen habe, was mit mir los war – ich habe eben einfach nur geschrieen und das ist nicht normal. Für mich war es ein Loswerden ohne zu reden, ein Loswerden ohne Worte, ohne jemand zu belasten, ohne mich schämen zu müssen.
    Nun geht es mir schon tagelang schlecht. Ich möchte weg sein, es nicht mehr aushalten müssen und sitze statt dessen in diesem Zimmer, in dieser Klinik und ein Tag vergeht und dann eine Nacht und es kommt wieder ein Tag und ich weiß nicht, wie ich es schaffen soll, immer weiter zu machen. Es ist nicht so, dass ich wirklich sterben will, ich weiß doch, es war schon schön, es ging mir schon besser, aber jetzt, ich weiß nicht, alles ist wieder so aussichtslos. Außen ist alles normal, ich ziehe mich ordentlich an, schminke mich sogar manchmal, gehe essen, gehe in die Medico ich tue alles, was man tut, wenn man normal ist, doch innen ist ein riesiger Schmerzklumpen und wenn es danach ginge, würde ich heulend im Bett liegen oder auf dem Fußboden im Zimmer hocken und nichts wollen, nichts tun, einfach gar nichts – das würde ich wollen – meine Ruhe und Nichts.
    Aber ich muss normal sein, normal funktionieren, damit keiner fragt: „Was ist denn los?“ Ich muss doch schweigen, nicht mal schreien kann ich mehr und auf Befehl, wenn ich in einen Raum gebracht würde, wo ich schreien darf, das geht nicht – funktioniert nicht.
    Schreien ist es loswerden ohne es zu sagen.
    Verzweiflung loswerden.
    Enttäuschung loswerden.
    Wut loswerden.
    Schmerz loswerden.
    Angst loswerden.
    Einsamkeit loswerden.
    All das wird man dann los, aber es ist nicht richtig, passt nicht, gehört sich nicht, stört.
    Dabei wollte ich nur schreien um wieder leben zu können. Eines weiß ich, man geht kaputt, wenn man innerlich schreit und daran fast erstickt.
    Es raustoben, rausschreien ist so wichtig. Ich weiß nicht, ob ich es noch mal kann. Warum?
    Ganz einfach, weil ich früher nicht schreien, nicht toben, mich nicht wehren konnte. Nicht zu hören war – immer schön leise, immer schön normal- keiner darf was merken, keiner darf was hören.
    Warum darf man diesen ungeheuerlichen Schmerz, wenn er einen zu überrollen droht und erstickt, warum darf man ihn nicht rausschreien?
    Ich kenne eine klasse Antwort! „Hättest du doch früher geschrien, dann brauchtest du es heute nicht““
    Ja, ich bin die stille Tina und es nicht normal, wenn ich so laut bin – es reicht ja nachts schon zu, wenn ich im Schlaf immer schreie – wieso reicht das nicht eigentlich aus für mich? Ich frage mich das selber? Ich denke, weil es nicht bewusst ist und weil es

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