Ich will doch nur normal sein!
nicht „dieses Schreien“ ist.
Es ist kein Loswerden, es ist kein befreien davon.
Aber wie soll ich es loswerden. 100 Mal erzählen? Wem? Dann schreie ich lieber, aber ich kann nicht mehr. Deswegen geht es mir so dreckig.
Was mit mir los ist?
Da ist Hoffung, dass man liebgehabt wird, da ist Angst, dass einem weh getan wird. Da ist Angst, dass man weggeworfen wird wie ein Stück Dreck.
Da ist Angst vor den Schmerzen.
Verdammt noch mal, wer würde da nicht schreien? Wem ginge es da nicht so? Wer würde da reden wollen – besser gesagt, reden können. Da nützt mir viel, wenn jeder sagt, ich schaffe das. Bloß wie und wann. Ich habe keine Lust mehr ein Spiel zu spielen, Fassade. So tun, als ob. Ich habe es anders erlebt und so soll es wieder sein. Aber jetzt bin ich wieder erstickt. Zu. Habe Mühe überhaupt etwas zu sagen. Angst etwas zu sagen. Ich könnte ja wieder laut werden und da habe ich Angst davor. Obwohl ich mir erklärt habe, dass es richtig war, dass ich nicht schreie, weil ja die Anderen auch noch da sind.
Aber wer war da, als es passiert ist, da war keiner da, alle waren in Therapien.
Und jetzt, wo ich schreien könnte, da sind so viele und ich muss still sein und die Zähne zusammenbeißen. Da schaffe ich gerade den Weg bis ins Zimmer und bin wieder allein. Klar, ich habe Helmut, aber dem kann ich das alles nicht erzählen, der hat viel zu viel Angst und Sorge um mich. Bei einem Flashback, wenn ich mal schreie, dann schläft er ja schon fast aus Angst um mich nicht mehr.
Nichts kann ich ihm erzählen, nicht ein bisschen. Es müsste gehen, dass man nur noch munter ist. Oder das alles einfach verschwindet oder man selber verschwindet. Ja, vielleicht wäre es besser gewesen, die hätten damals richtig geschossen – einmal bloß und alles das wäre jetzt nicht mehr.
Die Angst davor ist auch noch da – in mir. Pistole in den Mund abgedrückt, klick, klick und jedes Mal denke ich, jetzt, jetzt ist es aus, jetzt erschießen sie mich.
Das ist doch alles Horror, schlimmer, wie im Film und da meckert keiner, wenn jemand schreit. Ja, mir tut wieder der Kiefer weh, vom Zähnezusammenbeißen, damit ich nicht schreie.
Ist auch egal. Ich habe eine Frage, wenn ich allen erzählen würde, was passiert ist, ob ich dann schreien dürfte?
Ich würde es nie tun, es nie erzählen und werde auch nie mehr schreien.
25.03.2004
Gestern habe ich aufgeschrieben, was passiert ist, als ich gesagt bekam, ich solle leise sein, die anderen erschrecken, wenn ich so schreie.
Ja, ich war sofort leise und alles in mir ist erstickt. Heute habe ich das, was ich gestern darüber geschrieben habe, wie es mir ging auf Band gesprochen ins Einzel mitgenommen.
Es war so ein Fehler – ich habe irgendetwas verkehrt gemacht, was weiß ich nicht, es ging mir jedenfalls danach noch schlechter. Nein, es war glaube ich völlig verkehrt. Ich konnte dann nichts mehr sagen, habe nur noch verstanden, wie schwierig es ist. Dabei wollte ich nicht sagen, dass ich unbedingt schreien muss in meinem Zimmer – ich kann es wahrscheinlich nun sowieso nie wieder – es ist vorbei, geht nicht mehr.
Ich wollte nur erklären, was es für mich war, was es für mich bedeutet hat und dann kann ich mir nur die ganze Zeit anhören, wie schwierig es ist, dies ein weiteres Mal passieren zu lassen. Ich will es sowieso nicht mehr passieren lassen.
Aber eins will ich sagen, wenn ich jetzt irgendwie merken sollte, es will losbrechen mit dem Schreien, dann werde ich es zu verhindern wissen, egal wie, ich werde nicht zu hören sein. Ich habe mich heute über mich selbst geärgert, weil ich überhaupt noch mal davon angefangen habe. Es ist nicht gut gewesen – ich hätte es nie wieder erwähnen sollen. Ich konnte die ganze Zeit schlecht sitzen bleiben und mir all das anhören, all die Vorschläge, die Möglichkeiten – Klasse. Es ist ja so planbar, so berechenbar.
Ich will auch nicht, dass ich eine „Sondergenehmigung“ zum Schreien auf meinem Zimmer erhalte, oder dass jemand vor meiner Tür steht und die anderen beruhigt ... ist alles so verletzend, so schmerzhaft.
Ich wollte all das nicht hören, wollte gar nichts hören. Es tut einfach weh – ich hatte gesagt, was los ist – ich wollte es nicht, es war nicht geplant – es wird nicht wieder vorkommen.
Ich hasse das heutige Einzel! Warum? Weil ich das alles nicht wollte. Sie müssen mir nicht erklären, dass es nicht so geht, wie es passiert ist. Es ist ja auch gar nichts weiter passiert – es hat
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