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Ich wollte Hosen

Ich wollte Hosen

Titel: Ich wollte Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Cardella
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anprobieren. Einen Augenblick lang sah ich sie an, dann zog ich meinen Rock aus und nahm diese Hosen: Sie waren zu weit, ich versank darin, aber meine Tante zog einen Gürtel heraus und faßte sie mir in der Taille zusammen.
Ich war so komisch wie ein Clown, ich sah auch so aus und ... wir prusteten los vor Lachen.
Dann sah sie mich an und sagte mir etwas so Trauriges, daß ich mir dumm vorkam, mir so lange Zeit eine so erbärmliche Sache gewünscht zu haben:
» Macari fussa accussì facili accuntintarsi e campari ... Wenn es so einfach wäre, sich zufriedenzugeben und durchs Leben zu schlagen ...«
Vielleicht waren es weniger ihre Worte als ihre Augen, die mir Angst machten: Einen Augenblick lang strahlten sie nicht mehr. Dann fingen sie wieder an zu strahlen, und sie stand vom Bett auf. Sie öffnete eine Schublade des Nachttisches, der auf ihrer Seite des Bettes stand, und zog ein in braunes Leder gebundenes Büchlein heraus, gab es mir und empfahl mir, es zu lesen, wenn ich Zeit und Lust dazu hätte.
Ich öffnete es sofort, aber sie bat mich, es nicht vor ihr zu lesen, es hätte sie schon Mut genug gekostet, es mir zu zeigen, ich sei der einzige Mensch auf der Welt, der von seiner Existenz wüßte, und wenn ich es vor ihr lesen würde, könnte sie es vor Unruhe und Angst nicht aushalten und würde mich wahrscheinlich bitten, es ihr zurückzugeben. Ich verstand ihre Gefühle; und weil ich sehr neugierig geworden war, fragte ich sie, ob es ihr etwas ausmache, wenn ich sie eine Weile allein ließe. Sie verneinte, und so ging ich, das Büchlein schon auf der ersten Seite aufgeschlagen, in das kleine Zimmer. Ich warf mich aufs Bett und begann zu lesen.
    15. Oktober 1962
Heute bin ich 20 Jahre alt geworden, und die Mama ist nicht einmal heute gekommen. Ich dachte, Papa käme, aber auch er ist nicht gekommen. Die Nonnen wissen nicht, daß heute mein Geburtstag ist, und ich will es ihnen nicht sagen, weil es sie nicht interessiert. Vielleicht hat die Mama es vergessen und ist deshalb nicht gekommen. Die Arme, wo sie doch so viel zu tun hat.
Ich aber habe heute ein Gedicht gemacht und es auf das Papier im Klo geschrieben; ich habe es geschrieben, als die Mutter Oberin mich ins Klo geschickt hat, um es zu putzen, und jetzt will ich es hier neu schreiben, weil ich es nicht verlieren will und es aufheben möchte, bis ich Nonne bin und selber Oberin werde:
    »Ich möchte ein Vogel sein und wegfliegen
Ich möchte klein sein
und mich stillen lassen
Ich möchte groß sein
und stillen
Ich habe geträumt, ein Vogel zu sein und wegzufliegen
Ich habe geträumt, klein zu sein und gestillt zu werden
Ich habe geträumt, groß zu sein
und zu stillen
Aber ich bin aufgewacht und war hier.«
    Ich weiß, daß dieses Gedicht nicht so schön ist wie das von Leopardi, das Il passero solitario , »Der einsame Spatz« hieß, aber wenn ich dieses hier lese, muß ich weinen, bei dem ändern nicht.
    27. Oktober 1962
Zwölf Tage sind vergangen, seit ich damals geschrieben habe. Ich habe aus zwei Gründen nicht geschrieben: Der erste ist, daß ich nichts zu sagen hatte, der zweite ist, daß Angelica ein Gedicht von mir entdeckt hat, das ich auf dem Klo gelassen hatte, und mich bei der Mutter Oberin angeschwärzt hat, und die hat zu mir gesagt, daß ich diese Dinge nicht schreiben darf, weil Gott mit mir böse wird. Ich hatte geschrieben, daß meiner Meinung nach mich niemand gern hat, weil mich nie jemand besuchen kommt, und die anderen dagegen Besuch von ihren Eltern bekommen. Angelica hat mich verspottet und gesagt, ich hätte Komplexe, und ich wußte nicht, was das bedeutet; sie hat es mir erklärt und gesagt, das bedeute, daß jemand sich immer von allen gehaßt fühlt und sich einbildet, daß alle was gegen sie haben. Ich habe zu ihr gesagt, daß das nicht stimmt, daß ich wirklich allein bin, und ich habe angefangen zu weinen, und sie hat ein seltsames Wort zu mir gesagt, etwas, das mit »Para« beginnt ... Keine Ahnung! Ich wollte sie fragen, was es bedeutet, aber ich wollte nicht, daß sie mich für ungebildet hält, und bin gegangen. Aber ich habe schlimme Dinge über Angelica gedacht und mich versündigt. Jetzt lege ich mich schlafen, weil es spät ist und alle anderen das Licht gelöscht haben.
    l0.November 1962
Es ist lange her, daß ich geschrieben habe, aber jetzt habe ich einen Haufen zu erzählen, obwohl ich wenig Zeit habe, weil alle schlafen. Heute war Sonntag, und wir sind zur Messe in die Kirche Sant'Angelo gegangen. Ich bin bei

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