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Ich wollte Hosen

Ich wollte Hosen

Titel: Ich wollte Hosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Cardella
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und küßte mich und fragte, wie es mir gehe. Ich antwortete mit einem Achselzucken. Sie tadelte mich, weil ich sie nicht besuchen gekommen war, als es ihr nicht gut ging, ich antwortete, indem ich den Blick senkte, sie verstand und machte eine verständnisvolle Geste, als wollte sie sagen »Ich bin auf deiner Seite.« Dann wandte sie sich meinen Eltern zu und fragte meine Mutter, wie es ihr gehe.
Meine Mutter antwortete mit dem üblichen Klagelied und sagte: » Comu haiu a stari, ccu sta buttana? Mi luvà deci anni di vita ... Wie soll's mir schon gehen, mit dieser Nutte? Zehn Jahre meines Lebens hat sie mich gekostet ...« Mein Vater nickte zustimmend, und meine Tante sagte nichts. Es war typisch für meine Tante Vannina, daß sie sich nie gegen jemanden stellte und einem den Eindruck vermittelte, als sei sie allein auf deiner Seite. Meine Mutter verstand dieses Schweigen als eine Verurteilung meiner Person und freute sich, weil sie dachte, ich würde in geeigneter Weise bestraft werden.
Es blieben nur wenige Minuten, während ich meine Sachen ins Zimmer meiner Cousinen trug. Ich hörte meine Mutter weinen und meiner Tante letzte Ermahnungen geben, wie sie mich behandeln sollte. Dann gingen sie fort, und meine Tante rief mich in die Küche.
Sie sagte gleich, ich brauchte mir um nichts Sorgen zu machen, ich würde mich in ihrem Hause wohl fühlen, sie würde mich bestimmt nicht wie eine Sklavin behandeln, wie meine Mutter es ihr mehrmals aufgetragen hatte. Einen Augenblick lang war ich versucht, mit ihr über ihren Mann zu sprechen, ihr meine Befürchtungen darzulegen, aber ich hatte nicht den Mut dazu; ich hatte Angst, sie würde mir nicht glauben und mich ebenfalls hassen. Ich fühlte mich wieder beschützt und geliebt und wollte diesen Moment nicht mit Befürchtungen zerstören, die wahrscheinlich zu übertrieben und grundlos waren.
Sie fragte mich, was denn genau passiert sei, sie habe alles mögliche gehört: Einer hatte ihr berichtet, mein Vater habe mich halbnackt mit einem alten Mann überrascht ... Ich erzählte ihr, was passiert war, ich sprach von den Hosen, von Angelina, dem Fest, von Nicola, was wir wirklich gemacht hatten, und ihr Gesicht ließ Rührung erkennen. »Zu meiner Zeit, als ich so alt war wie du, hatte ich auch einen Freund ... Wir haben nichts gemacht, aber mein Opa hat davon erfahren und mich grün und blau geschlagen ... Als ob das nicht gereicht hätte, hat er mich nicht mehr aus dem Haus gehen lassen, und erst drei Jahre später habe ich den Onkel gesehen und ihn sofort geheiratet; auch weil ich nicht anfangen konnte, nach dem Märchenprinzen zu suchen, dafür hatte ich keine Zeit, und außerdem hätten sie mich, wenn ich das getan hätte, zumindest umgebracht ... Ich kann dich verstehen ... Ich kann dich verstehen ... Aber Schluß jetzt damit, räumen wir deine Kleider weg ...« Wir gingen in das kleine Zimmer meiner Cousinen und versuchten so gut es ging, meine ganze Geschichte und meine fast sechzehn Jahre in den verfügbaren zwei Schubladen unterzubringen.
    Es war zehn; bis ihr Mann heimkam, würden noch mindestens drei Stunden vergehen: Onkel Vincenzo mußte den Anschein erwecken, daß er sich bei der Arbeitssuche bemühte, eine Arbeit, die er dann schließlich nie fand; mal war die Arbeit zu beschwerlich und schlecht bezahlt, mal war der Arbeitgeber zu anspruchsvoll oder eingebildet oder unsympathisch. Was auch immer der Grund war, jedenfalls war die Folge, daß Tante Vannina auch an diesem Tag von einem Nachbarn oder Geschwister zum anderen gehen und versuchen mußte, das Nötigste zum Überleben aufzutreiben ... zumindest für diesen einen Tag. Nur selten fiel nichts für sie ab: Die Leute kannten und bewunderten, verstanden und bemitleideten sie; wie ich schon sagte, konnte in meinem Dorf nicht einmal ein Hund sterben, ohne daß man ihm half oder ihn zumindest bemitleidete. Und wenn sie wirklich nicht einmal ein paar Lire zusammenkratzen konnte, ging sie ins Dorf hinunter und suchte sich irgendeine Arbeit für ein paar Stunden, damit sie das tägliche Brot kaufen konnte, ohne dafür ihre Würde aufs Spiel zu setzen oder auf erniedrigende Kompromisse eingehen zu müssen.
Die Tante war immer stolz darauf gewesen (das war das einzige, worauf sie stolz sein konnte), ihre Ehre und ihre Ehrlichkeit hochgehalten zu haben. Außerdem glaube ich nicht, daß je jemand versucht hatte, ihr einen sozusagen unziemlichen Antrag zu machen. Nicht, daß sie keine schöne Frau gewesen wäre, ganz

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