Idol
grausamen Werk der Dämonen. Je weiter ich in meiner Beschreibung vorankam, desto mehr wuchs ihre Erregung,
und ich wurde dadurch so verwirrt, daß ich mir immer neue Details einfallen ließ, die meinen Bericht in die Länge zogen. Ich
denke heute nur noch mit Scham daran.
Als wegen meines Unfalls meine schöne tiefe Stimme verstummte, begriff ich, daß sich um einen Ast jenes Baumes, unter dem
ich derart schwadroniert hatte, eine Schlange ringelte, die nur auf einen günstigen Moment wartete, um sich herabfallen zu
lassen und zwischen der Contessa und mir eine fürchterliche Verbindungslinie zu ziehen.
Es war ein Feigenbaum gewesen, zwar dichtbelaubt, doch unfruchtbar.
Ich begriff, daß die Hand Gottes, die schon in der Bibel den Feigenbaum hatte verdorren lassen, nun mir meine Stimme genommen
hatte, um mich vor Sünden zu bewahren, von denen die meines schwachen Fleisches vielleicht nicht einmal die schlimmste war.
Und ich schwankte noch, ob ich mich nicht für den Rest meiner Tage in irgendein Kloster zurückziehen sollte, als ich ein lakonisches
Schreiben von Kardinal Montalto erhielt mit der Bitte, ihn in seinem Palast aufzusuchen.
Felice Peretti, dem zwei Jahre zuvor die Kardinalswürde verliehen worden war, hatte den Namen Montalto gewählt, um – so denke
ich – einerseits seine hohen Ambitionen, andererseits die Schroffheit seines Charakters anzudeuten. Zitternd begab ich mich
zu dem recht bescheidenen und schmucklosen Palast des schrecklichen Kardinals. Mir war sehr wohl bekannt, daß er als Großinquisitor
in Venedig mit Feuer und Schwert gegen |11| die Sittenlosigkeit des Klerus vorgegangen war und wegen seiner Strenge sich so verhaßt gemacht hatte, daß sich die Priester
am Ende gegen ihn verbündeten und beim Senat seine Vertreibung aus der Repubblica Serenissima erwirkten.
Er lebte so zurückgezogen, daß ich ihn vordem noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Und als ich ihn nun sah, war ich von seinem
Anblick zunächst enttäuscht. Man muß wissen, daß Rom voll war von majestätischen Prälaten; der schönste unter ihnen war zweifellos
Papst Gregor XIII., der damals siebzig Jahre zählte, sich aber dennoch kerzengerade hielt, einen behenden Gang und graziöse
Bewegungen hatte und, wenn er aufsaß, wie ein Jüngling in den Sattel sprang.
Kardinal Montalto war von mittlerer Größe. Er war mitnichten verwachsen, wie böse Zungen behaupteten, erweckte jedoch diesen
Eindruck mit seinem großen struppigen Kopf zwischen den breiten Schultern. Ich bezeichne seinen Kopf als groß, weil er mir
im Vergleich zum übrigen Körper disproportioniert erschien, und als struppig, weil Montalto – ein ehemaliger Franziskaner
– Haar und Bart lang trug, beides schlecht gekämmt und nachlässig geschnitten. Diese Behaarung gab ihm einen rauhen Anstrich,
was Staunen verursachte in Rom, wo die Prälaten eher Kieselsteinen ähnelten, rund und glatt vom ständigen Aneinanderreiben
im Auf und Ab der Gezeiten.
Eine markante Nase, schmale Lippen, ein fliehendes Kinn, dichte schwarze, mit dem graumelierten Haupt- und Barthaar kontrastierende
Brauen und darunter, tief in ihren Höhlen, die schwarzen, stark glänzenden, durchdringenden Augen brachten zwar Kraft, aber
wenig Gewinnendes in diese Physiognomie, welche ich, wäre da nicht meine große Hochachtung vor Seiner Eminenz, als wild und
fanatisch bezeichnen würde.
Von diesem wenig anziehenden und wenig liebenswürdigen Menschen erwartete ich kein Wohlwollen. Trotzdem war ich erstaunt über
die Grobheit seines Empfangs und die gebieterische Kürze seiner Rede.
»Rossellino«, sagte er, ohne meine stummen Höflichkeitsbezeigungen zu erwidern, »setzt Euch dorthin, an dieses Tischchen.
Ja, da setzt Euch hin! Dort sind Feder, Tinte und Papier, eine brennende Kerze und eine Kupferschale. Wozu die Kerze? Um Eure
Antworten zu verbrennen, sowie Ihr sie aufgeschrieben habt. Wozu die Schale? Für die Asche. Schreibt! Aber |12| keine Heuchelei, bitte! Und vor allem keine Seminaristenphrasen! Nichts als die einfache und reine Wahrheit! Sofern die Wahrheit
jemals rein ist. Kurz, wenn Ihr mich belügt, und sei es auch nur ein einziges Mal, lasse ich Euch von meinem Diener hinausbringen.
Seid Ihr bereit?«
Dieser Beginn erfüllte mich mit Schrecken. Mit zitternder Hand nahm ich die Gänsefeder, tauchte sie in die Tinte und wartete.
Die nachfolgenden Antworten wurden auf kleine quadratische Zettel geschrieben. Der Kardinal
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