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Idol

Idol

Titel: Idol Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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stand hinter mir und nahm, vielmehr
     riß sie mir aus den Händen, sowie ich meine Niederschrift beendet hatte, warf einen Blick darauf und verbrannte sie sofort
     an der Kerzenflamme.
    »Seid Ihr keusch?«
    »Ja, Euer Eminenz.«
    »Laßt die Eminenz weg, das Aufschreiben dauert sonst zu lange. Wart Ihr je in Versuchung, das Keuschheitsgebot zu verletzen?«
    »Ja.«
    »Wo, wann und mit wem?«
    »Im Garten der Contessa V., bevor ich auf den Stufen des Vatikans stürzte.«
    »Erläutert mir das!«
    »Ich schilderte der Contessa die Qualen der Verdammten in der Hölle, was sie sehr erregte. Und diese Erregung brachte mich
     in Verwirrung.«
    »Habt Ihr die Contessa wiedergesehen?«
    »Nach meinem Unfall nicht.«
    »Wie seht Ihr diesen Unfall?«
    »Als ein Werk der Vorsehung. Mein Sturz bewahrte mich vor dem Fall. Ich begriff die Eitelkeit meines Lebens und daß ich meine
     schöne Stimme nur dazu nutzte, andere zu umgarnen. Dabei bin ich als erster in diese Schlinge gegangen.«
    »Gut gesagt. Was habt Ihr jetzt für Pläne?«
    »Mich in ein Kloster einzuschließen.«
    »Schlecht überlegt. Ihr seid Weltgeistlicher. Bleibt in der Welt und dienet der Kirche.«
    »Bin ich dazu fähig?«
    »Gewiß. Was sind nach Eurer Ansicht die Übel des Staates?«
    »Anarchie, Korruption, Mißachtung der Gesetze und Straffreiheit für Banditen, ob adlig oder nicht.«
    |13| »Was sind die Übel der Kirche?«
    »Sittenlosigkeit, Gier nach Gold und Prachtentfaltung, Simonie, die Gebietsfremdheit der Bischöfe, Exkommunizierungen aus
     anderen als Glaubensgründen.«
    » Bene, bene, bene.
Doch es genügt nicht, die Mißstände zu beklagen. Man muß sie abschaffen.«
    »Kann ich das?«
    »Ihr nicht. Ich ja. Wollt Ihr mir dabei helfen?«
    »Kann das ein Stummer?«
    »Gerade ein Stummer!«
    Montalto hielt den durchdringenden Blick seiner schwarzen Augen auf mich gerichtet und schwieg lange, damit ich alle Implikationen
     dieses »gerade« heraushören konnte.
    Ich schrieb: »Mit meiner Ergebenheit, meiner Treue und meiner Verschwiegenheit stehe ich Eurer Eminenz zu Diensten
ad maximam gloriam Dei et Ecclesiae
1 .«
    » Bene.
Ich mache Euch zu meinem Privatsekretär. Hört, Rossellino, ich habe kein Vermögen geerbt, ich betreibe keinen Ämterschacher,
     und ich empfange auch nicht, wie so viele andere Kardinäle, eine Pension Philipps II. von Spanien, denn ich habe ihm meine
     Stimme im Konklave nicht verkaufen wollen. Ich werde Euch also schlecht bezahlen.«
    »Das macht nichts.«
    » Bene.
Was haltet Ihr vom derzeitigen Papst?«
    Da ich zögerte, warf mir Montalto einen furchteinflößenden Blick zu und schrie aufgebracht: »Antwortet! Jetzt sofort! Sagt
     mir, was Ihr denkt!«
    Ich schrieb: »Es ist eine große Verfehlung für einen Priester, ein leibliches Kind zu haben. Für einen Papst ist es skandalös,
     und dies um so mehr, als er besagten Sohn zum Gouverneur von Rom ernannt hat.«
    Montalto riß mir den Zettel aus den Händen, verbrannte ihn an der Kerzenflamme und sagte barsch: »Weiter!«
    »Der Papst läßt die Dinge treiben. Er greift nicht ein. Er wird niemals auch nur den kleinen Finger gegen diese Mißstände
     rühren. Er befaßt sich nur mit den Künsten, mit dem Prunk seines Hofes und mit seiner Schmucksammlung.«
    Montalto las das Papier, zündete es an und schaute diesmal |14| zu, wie der Zettel in der Kupferschale langsam zu Asche wurde. Dabei spielte die Andeutung eines Lächelns um seine Lippen,
     was, wie ich sofort feststellte, in keiner Weise seine wilden Gesichtszüge milderte.
    »Wo wohnt Ihr?«
    Ich schrieb: »Bei einer alten Tante in der Via Appia.«
    »Ich wette, daß sie Euch über die Maßen verwöhnt.«
    »In der Tat.«
    »Die Frauen haben zwei Möglichkeiten, einen Mann schwach zu machen: mit dem eigenen Fleisch und mit dem Fleisch im Kochtopf.
     Ihr werdet in meinem Haus wohnen, Rossellino, in einem ungeheizten Zimmer schlafen und mit mir essen, so wie ich esse: wenig
     und schlecht.«
    »Es wird mir eine große Ehre sein, Euer Eminenz.«
    » Bene.
Genug geredet. Zieht Euch jetzt zurück. Bis morgen!« So wurde ich Privatsekretär von Kardinal Montalto. Als Gregor XIII. davon
     erfuhr, machte er eine ganze Woche lang seine Witzchen darüber:
    » Il bello muto
(diesen Beinamen hatte er mir gegeben) muß zu der Zeit, da er noch seine Stimme hatte, ein großer Sünder gewesen sein. Wie
     anders könnte er sonst diese schreckliche Buße auf sich nehmen, mit Montalto in dessen altem Gemäuer zu hausen, seine

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