Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
sein konnte. Trank einen Schluck Cola. »Glaubst du, es hat mir Spaß gemacht, den Drecksack so zuzurichten, Rydell?«
»Ich weiß nicht.«
»Aber du glaubst es. Ich weiß, du glaubst, es hat mir Spaß gemacht. Und du hast Recht, es hat mir Spaß gemacht. Aber weißt du, was der Unterschied ist?«
»Der Unterschied?«
»Ich hatte keinen Ständer, als ich’s getan hab. Das ist der Unterschied.«
»Haben Sie ihn gekannt?«
»Was?«
»Ich meine, war es ’ne persönliche Sache, warum Sie’s getan haben?«
»Oh, ich schätze, man könnte sagen, dass ich ihn gekannt habe. Ja, ich kannte ihn. Ich kannte ihn so gut, wie man niemand kennen sollte, Rydell. Ich wusste über alles Bescheid, was er tat. Ich bin nachts schlafen gegangen und hab dabei auf das Geräusch seines Atems gehorcht. Es ging so weit, dass ich schon an seiner Art zu atmen erkennen konnte, wie viel er intus hatte.«
»Intus?«
»Er soff. Wie ’n Russe. Du warst doch Polizist, oder?«
»Ja.«
»Hast du mal jemand überwachen müssen, Rydell?«
»Bin nicht so weit gekommen.«
»Ist ’ne komische Sache, Leute zu überwachen. Mit ihnen zu reisen. Sie kennen dich nicht. Sie wissen nicht, dass du da bist. Oh, sie ahnen es. Sie vermuten, dass du da bist. Aber sie wissen nicht, wer du bist. Manchmal kriegst du mit, wie sie jemand anschauen, sagen wir mal, im Foyer eines Hotels, und du weißt, sie denken, das bist du, derjenige, der sie überwacht. Aber du bist es nie. Und wenn du sie über einen Zeitraum von mehreren Monaten überwachst, Rydell, fängst du an, sie zu lieben .«
Rydell sah, wie ein Schauer durch Chevette Washingtons angespannten weißen Schenkel ging.
»Aber dann, nach ein paar weiteren Monaten, zwanzig Flügen, zwei Dutzend Hotels, tja, dann kehrt es sich allmählich um …«
»Man liebt sie nicht mehr?«
»Nein. Du fängst an, darauf zu warten, dass sie Mist bauen, Rydell. Du fängst an, darauf zu warten, dass sie das in sie gesetzte Vertrauen missbrauchen. Denn die Verantwortung eines Kuriers ist was Schreckliches. Was Schreckliches. «
»Eines Kuriers?«
»Schau sie an, Rydell, sie weiß es. Sie weiß es. Auch wenn sie nur vertrauliche Papiere in San Francisco herumkutschiert, sie ist ein Kurier. Man vertraut ihr etwas an , Rydell. Die Daten nehmen feste Gestalt an. Sie transportiert sie. Stimmt’s nicht, Baby?«
Sie war so reglos wie eine Sphinx. Die weißen Finger hatten sich tief in den grauen Stoff des mittleren Sitzes gegraben.
»Das ist mein Job, Rydell. Ich passe dabei auf sie auf. Ich überwache sie. Manchmal versucht jemand, ihnen was wegzunehmen.« Er trank die Cola aus. »Diese Leute bringe ich um. Das ist eigentlich das Beste an meinem Job. Warst du schon mal in San José, Rydell?«
»In Costa Rica?«
»Genau.«
»Noch nie.«
»Da wissen die Leute zu leben.«
»Sie arbeiten für diese Datenhäfen«, sagte Rydell.
»Das hab ich nicht gesagt. Jemand anders muss es gesagt haben.«
»Und er auch«, sagte Rydell. »Er kam aus Costa Rica und sollte diese Brille jemandem bringen, und sie hat ihm das Ding weggenommen.«
»Und ich war froh, dass sie’s getan hat. So froh. Ich war im Zimmer nebenan. Ich bin durch die Verbindungstür rein. Ich hab mich vorgestellt . Er ist Loveless begegnet. Zum ersten und letzten Mal.« Die Pistole bewegte sich keinen Millimeter, aber er begann sich mit der Hand im Gummihandschuh am Kopf zu kratzen. Als ob er Flöhe hätte oder so.
»Loveless?«
»Mein Deckname . Mein Nome de sowieso.« Dann ein langes Silbengerassel, das Rydell für Spanisch hielt, aber er bekam nur nombre de irgendwas mit. »Meinst du, sie ist eng, Rydell? Ich mag’s nämlich, wenn sie eng sind.«
»Sind Sie Amerikaner?«
Sein Kopf ruckte ein wenig zur Seite, als Rydell diese Frage stellte, und sein Blick verschwamm einen Moment lang, aber dann wurde er wieder klar, so klar wie der verchromte Ring um die Mündung seiner Pistole. »Weißt du, wer mit den Häfen angefangen hat, Rydell?«
»Kartelle«, antwortete Rydell. »Die Kolumbianer.«
»Stimmt. Sie haben in den achtziger Jahren die ersten Expertensysteme nach Mittelamerika gebracht, um ihre Transporte zu koordinieren. Jemand musste runtergehen und diese Systeme installieren. Krieg gegen die Drogen, Rydell. Haufenweise Amerikaner auf beiden Seiten, da unten.«
»Tja«, sagte Rydell, »jetzt fabrizieren wir hier oben unsere eigenen Drogen, nicht wahr?«
»Aber sie haben die Häfen, da unten. Sie brauchen das Drogengeschäft nicht mal mehr. Sie
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