Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
war.
    »Paragon-Asia Dataflow«, sagte Rydell gegen vier Uhr morgens, als sie in zwei riesigen alten Lehnsesseln saßen. Die Betonträger über ihren Köpfen waren handbemalt, so dass sie vage Ähnlichkeit mit Balken aus heller Eiche hatten. Die Sessel waren wie die übrigen Möbel im Foyer des Chateau derart überdimensional, dass jedermann in ihnen kleiner wirkte.
    »Tatsächlich?« Laney tat weiterhin so, als wüsste einer wie Rydell, wo er noch Arbeit finden konnte.
    »Tokio, Japan«, sagte Rydell und saugte geeisten Latte durch einen Plastikstrohhalm. »’n Typ, den ich letztes Jahr in San Francisco kennengelernt habe. Yamasaki. Der ist bei denen. Sagt, sie brauchen ’nen zuverlässigen Netzläufer.«
    Netzläufer. Laney, der sich eher als Forscher oder Rechercheur betrachtete, unterdrückte ein Seufzen. »Zeitvertrag?«
    »Nehm ich an. Hat er nicht gesagt.«
    »Ich glaube, ich hätte keine Lust, in Tokio zu leben.«
    Rydell rührte mit dem Strohhalm in den Schaum- und Eisresten am Boden seines hohen Plastikbechers, als hoffte er, eine kleine Beigabe darin zu finden. »Davon war nicht die Rede.« Er blickte auf. »Schon mal in Tokio gewesen?«
    »Nein.«

    »Muss interessant sein da, nach dem Beben und so.« Das Walkie-Talkie tickte und wisperte. »Ich muss jetzt raus und das Tor bei den Bungalows checken. Wollen Sie mitkommen? «
    »Nein«, sagte Laney. »Danke.«
    Rydell stand auf und zog automatisch die Falten seiner khakibraunen Uniformhose gerade. Er trug einen schwarzen Gürtel aus Nylongewebe, an dem Halfter mit diversen schwarzen Gerätschaften hingen, ein kurzärmeliges weißes Hemd und eine merkwürdig unbewegliche schwarze Krawatte. »Ich leg Ihnen die Nummer ins Fach«, sagte er.
    Laney sah dem Wachmann nach, als er das Terrakotta und die diversen Teppiche überquerte und dann hinter dem dunkel polierten Paneel der Rezeption verschwand. Er hatte mal was im Kabelfernsehen laufen gehabt, soweit Laney mitbekommen hatte. Netter Kerl. Verlierer.
    Laney blieb sitzen, bis die Morgendämmerung durch die hohen Rundbogenfenster hereinfiel und aus der abgedunkelten Höhle des Frühstücksraums das leise Klappern von rostfreiem taiwanesischem Besteck an sein Ohr drang. Immigrantenstimmen, irgendein Hochsteppendialekt, den die mongolischen Herrscher durchaus noch verstanden haben mochten. Echos erwachten aus dem gefliesten Boden und den Deckenträgern, die noch aus einer Zeit stammten, die einst die Ankunft von Leuten wie Laney oder seinen Vorgängern, ihrer Ökologie der Prominenz und der schrecklichen und unverletzlichen Ordnung dieser Nahrungskette erlebt haben musste.
    Rydell hatte ein gefaltetes Blatt Chateau-Briefpapier in Laneys Fach gelegt. Eine Nummer in Tokio. Laney fand es dort am nächsten Nachmittag, zusammen mit einer aktualisierten, ungefähren Endabrechnung der Anwälte.
    Er nahm beides mit in das Zimmer, das er sich nicht mehr leisten konnte; er konnte nicht mal mehr vorgeben, es sich leisten zu können.

    Eine Woche später war er in Tokio, wo der goldgeäderte Spiegel eines Fahrstuhls im aufdringlich unscheinbaren O My Golly-Building sein Gesicht reflektierte, während er in den dritten Stock hinauffuhr. Dort wurde er in den Todeswürfel K eingelassen, offenbar eine Franz-Kafka-Themenbar.
    Er trat aus dem Fahrstuhl in einen langgestreckten Raum, dessen Name – Die Metamorphose – mit Säure in Metall geätzt war. Angestellte in weißen Hemden, die ihre Anzugjacken ausgezogen und die dunklen Krawatten gelockert hatten, saßen an einer Bar aus kunstvoll korrodiertem Stahl und tranken. Die hohen Lehnen ihrer Stühle waren aus einem braunen, chitinösen Harz geformt. Insektenartige Mandibeln bogen sich wie Sicheln über den Köpfen der Trinker.
    Er ging weiter, hinein in braunes Licht und leises Stimmengewirr. Er verstand kein Japanisch. An den ungleichmäßig transparenten Wänden wiederholte sich in regelmäßigen Abständen ein Motiv aus Deckflügeln, geschwollenen Hinterleibern und stacheligen, gefalteten braunen Gliedmaßen. Er beschleunigte seine Schritte und lenkte sie zu einer geschwungenen Treppe, deren Stufen glänzenden braunen Schalen ähneln sollten.
    Die Augen russischer Prostituierter an Tischen gegenüber der Bar folgten ihm, stumpf und puppenartig in dem schabenfarbenen Licht. Die Nataschas – vom Kombinat aus Wladiwostok importierte Strichmädchen – waren überall. Eine plastische Routineoperation verlieh ihnen eine strenge Fließbandschönheit. Slawische Barbies. Bei einer

Weitere Kostenlose Bücher