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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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einfacheren Operation wurde ihnen ein Peilsender für ihre Luden eingesetzt.
    Die Treppe führte in die Strafkolonie, eine Disko, die um diese Zeit leer war. Lautlose, pulsierende rote Blitze untermalten Laneys Schritte über die Tanzfläche. Eine Maschine hing von der Decke. Jeder ihrer gegliederten Arme, die an
uralte Zahnarztgeräte denken ließen, hatte eine scharfe Stahlspitze. Nadeln, dachte er, und erinnerte sich undeutlich an Kafkas Geschichte. Der Schuldspruch, der in den Rücken des Verurteilten eingraviert wurde. Die Erinnerung an nach oben gewandte, blicklose Augen ließ ihn zusammenzucken. Er verdrängte sie. Ging weiter.
    Eine zweite Treppe, eng und steiler, und er betrat den Prozess, einen dunklen Raum mit niedriger Decke. Anthrazitfarbene Wände. Kleine Flammen zitterten hinter blauem Glas. Er zögerte, nachtblind und vom Jetlag durcheinander.
    »Colin Laney, hab ich Recht?«
    Ein Australier. Riesengroß. Er stand hinter einem kleinen Tisch, und seine Schultern hingen wie bei einem Bären herab. Die Form seines rasierten Schädels war irgendwie merkwürdig. Und eine zweite, viel kleinere Gestalt, die dort saß. Ein Japaner in einem langärmeligen, bunt karierten Hemd, das bis zum übergroßen Kragen zugeknöpft war. Er blinzelte durch runde Brillengläser zu Laney hinauf.
    »Setzen Sie sich, Mr Laney«, sagte der Riese.
    Und Laney sah, dass diesem Mann das linke Ohr fehlte. Es war abrasiert; nur ein verknäuelter Stumpf war noch übrig.
     
    Als Laney noch bei Slitscan gewesen war, hatte seine Vorgesetzte Kathy Torrance geheißen. Die blasseste aller blassen Blondinen. Eine Blässe, die an Durchsichtigkeit grenzte; wenn das Licht in bestimmten Winkeln einfiel, schien sie kein Blut, sondern eine Flüssigkeit in der Farbe von sommerlichem Stroh in den Adern zu haben. An ihrem linken Oberschenkel ein Bild von etwas Gewundenem mit vielen Stacheln in reinem Indigo, eine teure, brutale Piktoglyphe. Sichtbar jeden Freitag, wenn sie gewohnheitsmäßig in Shorts zur Arbeit kam.
    Sie beklagte sich immer, dass Prominentsein ganz schön an Bedeutung verloren habe. Weil Generationen ihrer Kolleginnen
und Kollegen Raubbau daran betrieben hatten, folgerte Laney.
    Sie stellte die Füße auf den Rand eines Hotdesks. Sie trug exakte kleine Nachbildungen von Streckenwärterstiefeln mit einer Schnalle über dem Rist und fester Schnürung bis zu den Knöcheln. Er betrachtete ihre Beine, die straffe, geschwungene Linie von den Wollsockenschäften bis zum glattgeschmirgelten Rand abgeschnittener Jeans. Das Tattoo sah aus wie ein Ding von einem anderen Stern, ein Zeichen oder eine Botschaft aus den Tiefen des Alls, dort eingebrannt, damit die Menschheit sie deutete.
    Er fragte sie, was sie meinte. Sie schälte einen Zahnstocher mit Pfefferminzgeschmack aus seiner Hülle. Augen, die vermutlich grau waren, musterten ihn durch minzfarbene Kontaktlinsen.
    »Richtig berühmt ist doch keiner mehr, Laney. Ist Ihnen das schon mal aufgefallen?«
    »Nein.«
    »Ich meine, richtig berühmt. Gibt nicht mehr viel Ruhm, nicht im früheren Sinn. Nicht genug für alle.«
    »Im früheren Sinn?«
    »Wir sind die Medien, Laney. Wir machen diese Arschlöcher erst zu Prominenten. Wir bringen sie hoch, und sie ziehen uns mit. Sie kommen zu uns, um erschaffen zu werden. « Vibram-Sohlenschützer stießen sich präzise vom Hotdesk ab. Sie zog die Stiefel zu sich heran, so dass die Hacken an Pobacken in Jeans zu liegen kamen – weiße Knie verbargen ihren Mund –, und balancierte auf dem Piedestal des schwedischen Drehkippstuhls hinter dem Hotdesk.
    »Na ja«, sagte Laney und wandte sich wieder seinem Bildschirm zu, »Ruhm ist das aber trotzdem noch, oder?«
    »Aber so richtig ?«
    Er schaute wieder zu ihr hin.
    »Wir haben gelernt, aus diesem Stoff Geld zu drucken«, sagte sie. »Die Währung unseres Reichs. Jetzt ist zu viel auf
dem Markt; das weiß sogar das Publikum. Man merkt’s an den Quoten.« Laney nickte. Er wünschte, sie würde ihn weiterarbeiten lassen.
    »Außer«, sagte sie und nahm die Knie auseinander, so dass er ihren Mund sehen konnte, »wenn wir beschließen, einen zu vernichten.«
    Hinter ihr, draußen vor dem anodisierten Maschendrahtzaun des Käfigs und dem Rahmen eines Glasrechtecks, das auch den kleinsten Hauch von Umweltverschmutzung wegfilterte, war der Himmel über Burbank total leer, wie eine vom Baumeister des Universums vorgelegte himmelblaue Farbflocke.
     
    Das linke Ohr des Mannes war von pinkfarbenem Gewebe

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