Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
obskure sexuelle Neigung zu gestehen — ja, überhaupt etwas zu tun, was eines Aufmachers bei Slitscan würdig gewesen wäre. Er schimmerte – vielleicht matt, aber stetig – knapp außerhalb Kathy Torrances Reichweite. Was Laneys Ansicht nach der eigentliche Grund für ihren Hass auf ihn war.
»Na ja«, sagte Laney nach einiger Überlegung und verspürte dabei den merkwürdigen Drang, eine wahrheitsgemäße Antwort zu geben, »ich weiß noch, dass ich ihr erstes Album gekauft habe. Als es rauskam.«
»Titel?« Der Einohrige wurde noch ernster.
»›Lo Rez Skyline‹«, sagte Laney, dankbar für das winzige synaptische Ereignis, das es ihm erlaubt hatte, sich daran zu erinnern. »Aber ich könnte Ihnen nicht sagen, wie viele sie seitdem rausgebracht haben.«
»Sechsundzwanzig, ohne ›Best of‹-Alben«, sagte Mr Yamasaki und rückte seine Brille zurecht.
Laney spürte, wie die Tabletten, die er zur Dämpfung des Jetlags genommen hatte, wie ein verrottetes pharmazeutisches Gerüst unter ihm wegbrachen. Die Wände des Prozesses schienen näherzurücken.
»Wenn Sie mir nicht sagen wollen, worum es hier geht«, erklärte er dem Einohrigen, »fahr ich ins Hotel zurück. Ich bin müde.«
»Keith Alan Blackwell.« Der Mann streckte die Hand aus. Laney erlaubte ihm, seine zu ergreifen und kurz zu schütteln. Die Handfläche des Mannes fühlte sich wie ein Sportgerät an. »›Keithy.‹ Lassen Sie uns was trinken und ein bisschen plaudern.«
»Erst sagen Sie mir mal, ob Sie von Paragon-Asia sind«, verlangte Laney.
»Das sind bloß ’n paar Codezeilen in einer Maschine in ’nem Hinterzimmer auf der Lygon Street«, sagte Blackwell.
»Eine Fassade, aber man könnte sagen, es ist unsere Fassade, wenn Ihnen dabei wohler ist.«
»Kann ich nicht grade behaupten«, sagte Laney. »Sie holen mich zu einem Vorstellungsgespräch rüber, und jetzt erzählen Sie mir, dass die Firma, bei der ich mich vorstellen soll, gar nicht existiert.«
»Klar existiert sie«, sagte Keith Alan Blackwell. »Sie ist in der Maschine auf der Lygon Street.«
Eine Kellnerin kam herbei. Sie trug einen formlosen blauen Overall und kosmetische blaue Flecken.
»Ein großes Kirin vom Fass. Kalt. Und Sie, Laney?«
»Eiskaffee.«
»Coke Lite, bitte«, sagte derjenige, der sich als Yamasaki vorgestellt hatte.
»Schön«, sagte der ohrlose Blackwell mürrisch, als die Kellnerin im Dunkeln verschwand.
»Ich würde es begrüßen, wenn Sie mir erklären könnten, was wir hier machen.« Laney sah, dass Yamasaki wild auf dem Bildschirm eines kleinen Notebooks herumkritzelte. Der Lichtstift blinkte schwach im Dunkeln. »Schreiben Sie das mit?«, fragte er.
»Verzeihung, nein. Mache Notizen über Kellnerinnenkostüm. «
»Warum?«, fragte Laney.
»Verzeihung«, sagte Yamasaki, speicherte ab, was er geschrieben hatte, und schaltete das Notebook aus. Er steckte den Stift sorgfältig in eine Vertiefung an der Seite. »Ich studiere solche Dinge. Es ist meine Gewohnheit, ephemere Erscheinungen der Alltagskultur aufzuzeichnen. Ihr Kostüm wirft die Frage auf: Reflektiert es nur Thema dieses Clubs oder repräsentiert es tiefer gehende Reaktion auf Trauma des Erdbebens und anschließenden Wiederaufbau?«
2 LO REZ SKYLINE
Sie trafen sich auf einer Dschungellichtung. Kelsey hatte die Vegetation gemacht: große, leuchtende rousseausche Blätter und Comic-Orchideen, in Farben gesprenkelt, die sie für tropisch hielt (was Chia an die Parfümeriekette erinnerte, die in Einkaufszentren »organische« kosmetische Produkte in Farben verkaufte, die der Natur völlig unbekannt waren). Der Ton war von Zona, der einzigen Telepräsenten, die je so was wie einen richtigen Dschungel gesehen hatte: Vogelgeschrei, unsichtbare, aber realistisch mit Dopplereffekt vorbeisurrende Käfer und gelegentlich ein Vegetationsgeraschel, das auf kunstvolle Weise nicht an Schlangen, sondern an ein scheues, aber neugieriges Pelzding mit Samtpfoten denken ließ.
Das Licht, soweit vorhanden, sickerte durch ein hohes, grünes Blätterdach herein und war Chia entschieden zu disneymäßig – obwohl man eigentlich kein »Licht« brauchte an einem Ort, der aus nichts anderem bestand.
Zona, deren blauer, aztekischer Totenkopf körperlos leuchtete und deren blaue Geisterhände wie Tauben unter dem Stroboskop flatterten: »Gar keine Frage, diese schwanzlose, körperlose Hure hat es geschafft, seine Seele zu umgarnen. « Stilisierte Zickzackblitze zuckten in bewusster Betonung oben um den
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