Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
Vom Netzwerk:
aus, fand Rydell, als wären sie aus krausen alten Haaren gemacht. Er sah winzige, korrodierte Babysärge, und einer davon war mit Efeu bepflanzt. Er sah Kaffeetischchen, die aus alten Grabsteinen gebaut waren, wie Rydell vermutete; die Beschriftung war so abgewetzt, dass man sie nicht mehr entziffern konnte. Er blieb vor einem Bettgestell stehen, das aus einem Haufen jener kleinen Mohren in Jockeykleidung zusammengeschweißt war, die man in Knoxville nicht auf dem Rasen aufstellen durfte. Die kleinen Mohren hatten alle ein wassermelonenesserbreites, rotlippiges Grinsen aufgemalt bekommen. Über das Bett war eine handgenähte, wie eine Konföderiertenfahne gemusterte Decke gebreitet. Als er nach einem Preisschild suchte, fand er nur einen gelben Aufkleber mit der Aufschrift VERKAUFT.
    »Mr Rydell? Darf ich Sie Berry nennen?« Justine Coopers Kinnpartie war so schmal, dass sie in ihrem Mund nicht genug Platz für ein normales Gebiß zu haben schien. Ihre Haare waren kurzgeschnitten, ein glänzender brauner Helm. Sie trug ein paar dunkle, fließende Sachen, die Rydells Ansicht nach die Tatsache verbergen sollten, dass sie mehr oder weniger wie eine Gespenstheuschrecke gebaut war. Sie hörte sich nicht gerade so an, als ob sie aus einer Gegend käme, die man auch nur ansatzweise als Süden bezeichnen könnte, und eine sichtbare Anspannung hielt ihren Körper wie mit Drähten aufrecht.
    Rydell sah, wie der dicke Mann hinausging und auf dem Bürgersteig stehen blieb, um die Schutzvorrichtungen des Range Rover zu deaktivieren.
    »Klar.«
    »Sie sind aus Knoxville?« Er merkte, dass sie absichtlich langsam atmete, als ob sie sich bemühte, nicht zu hyperventilieren.
    »Das stimmt.«
    »Sie haben keinen besonderen Akzent.«

    »Ich wünschte, das würde jeder finden.« Er lächelte, aber sie lächelte nicht zurück.
    »Stammt Ihre Familie aus Knoxville, Mr Rydell?«
    Mist, dachte er, komm schon, sag Berry zu mir. »Mein Vater, glaube ich. Die Familie meiner Mutter ist größtenteils aus der Gegend um Bristol.«
    Justine Coopers dunkle Augen, in denen nicht viel Weiß zu sehen war, blickten ihn direkt an, aber sie schienen nichts wahrzunehmen. Er schätzte, dass sie in den Vierzigern war.
    »Miss Cooper?«
    Sie schreckte heftig auf, als ob er ihr einen Finger in den Hintern gesteckt hätte.
    »Miss Cooper, was sind das für kranzähnliche Dinger in den alten Rahmen da?« Er zeigte hin.
    »Gedenkkränze. Südwestvirginia, Ende 19., Anfang 20. Jahrhundert. «
    Gut, dachte Rydell, lass sie über die Ware reden. Er ging zu den gerahmten Kränzen hinüber, um sie sich genauer anzuschauen. »Sieht wie Haar aus«, sagte er.
    » Ist es auch«, erwiderte sie. »Was soll es denn sonst sein?«
    »Menschenhaar?«
    »Natürlich.«
    »Sie meinen, das Haar von Toten ?« Erst jetzt bemerkte er das minuziöse Flechtwerk; das Haar war zu winzigen, blumenähnlichen Knoten geflochten. Es war glanzlos und hatte keine bestimmte Farbe. »Mr Rydell, ich fürchte, ich habe Ihre Zeit verschwendet.« Sie bewegte sich zögernd in seine Richtung. »Als ich am Telefon mit Ihnen sprach, hatte ich den Eindruck, Sie seien – nun ja – südlicher …«
    »Wie meinen Sie das, Miss Cooper?«
    »Was wir den Leuten hier anbieten, ist eine bestimmte Vision , Mr Rydell. Auch eine gewisse Düsterkeit . Ein Hauch von Horror.«

    Verdammt. Dieser sprechende Kopf im Display der Agentur hatte den gleichen Quatsch abgespult, Wort für Wort.
    »Ich nehme nicht an, dass Sie Faulkner gelesen haben?« Sie hob eine Hand, um etwas Unsichtbares wegzuwischen, was ihr vor dem Gesicht hing.
    Da war es schon wieder. »Nee.«
    »Nein, das habe ich mir gedacht. Ich möchte jemanden haben, der mir helfen kann, diese Düsterkeit zu vermitteln , Mr Rydell. Den Geist des Südens. Einen Fiebertraum der Sinnlichkeit.«
    Rydell schaute verständnislos drein.
    »Aber Sie vermitteln mir das nicht. Tut mir leid.« Das unsichtbare Spinnennetz war wieder da.
    Rydell schaute zu dem Privatcop hinüber, aber er schien nicht zuzuhören. Zum Teufel, der Kerl schien zu schlafen.
    »Werte Dame«, sagte Rydell bedächtig, »ich glaube, Sie sind verrückter als ein ganzer Sack voller Arschlöcher.«
    Ihre Augenbrauen schossen nach oben. »Da«, sagte sie.
    »Was da?«
    »Farbe, Mr Rydell. Feuer. Die schwerblütige verbale Farbigkeit eines nahezu unvorstellbar weit fortgeschrittenen Zerfalls.«
    Darüber musste Rydell nachdenken. Er merkte, wie er das Mohrenbett ansah. »Kommen hier nie Schwarze rein,

Weitere Kostenlose Bücher