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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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die Hand an die Seite gedrückt. »Haben Sie Klebeband da? Ein breites?«
    Fontaine hatte zwar einen Erste-Hilfe-Kasten, aber da war nie das drin, was man brauchte: ein paar bröckelnde Wundkompressen etwa aus dem Jahr 1978 und ein komplizierter, dicker Augenverband mit einer Gebrauchsanweisung in einer Sprache, die wie Finnisch aussah. »Ich hab Gaffer-Tape«, sagte Fontaine.
    »Was ist das?«
    »Klebeband. Du weißt schon, das silberne. Klebt gut auf der Haut. Willst du das?«
    Rydell schlüpfte mühselig aus seiner schwarzen Nylonjacke und machte sich dann mit einer Hand an den Knöpfen seines zerknitterten blauen Hemdes zu schaffen. Das Mädchen half ihm, und als sie das Hemd ausgezogen hatten, sah Fontaine das gelb-graue Gesprenkel eines frischen blauen Flecks an seiner Seite. Sah übel aus.
    »Unfall gehabt?« Er hatte die Smith & Wesson in die Seitentasche seiner Hose gesteckt. Normalerweise war es nicht sicher, sie dort zu tragen, aber unter den gegebenen Umständen war es ganz praktisch. Der abgenutzte Walnussholzgriff mit Schachbrettmuster ragte gerade so weit heraus, dass er ihn gut greifen konnte, falls es nötig sein sollte. Er holte eine Klebebandrolle aus der obersten Schublade eines alten stählernen Aktenschranks, die ein Geräusch von sich gab, wenn er sie dreißig, vierzig Zentimeter weit herauszog. »Soll ich’s dir dranmachen? Ich hab Boxer in Chicago abgeklebt. Im Ring, weißt du.«
    »Bitte«, sagte Rydell und zuckte zusammen, als er an der lädierten Seite den Arm hob.

    Fontaine riss ein Stück Klebeband ab und musterte Rydells Brustkorb. »Ist ’n mystisches Band, weißt du das?« Er straffte es zwischen beiden Händen, die dunklere Seite mit der Klebeschicht Rydell zugewandt.
    »Wieso?«, fragte Rydell.
    »Weil es ’ne dunkle Seite hat«, sagte Fontaine und wies darauf, »eine helle«, er zeigte ihm die matt silberne Rückseite, »und das Universum zusammenhält.« Rydell setzte zu einem Schrei an, als der Streifen angelegt wurde, beherrschte sich jedoch. »Atmen«, sagte Fontaine. »Schon mal bei ’ner Geburt dabei gewesen?«
    »Nein«, brachte Rydell heraus.
    »Tja«, sagte Fontaine, während er den nächsten, längeren Streifen vorbereitete, »du musst so atmen, wie man’s den Frauen sagt, wenn die Wehen einsetzen. Also: Jetzt ausatmen …«
    Danach ging es ziemlich schnell, und als Fontaine fertig war, sah er, dass Rydell sich das Hemd mit beiden Händen zuknöpfen konnte.
    »Guten Abend«, hörte er den Professor sagen, und als er sich mit der Klebebandrolle in der Hand umdrehte, sah er, dass der Junge wach war, sich aufgesetzt hatte – die braunen Augen groß und leer – und den Mann im graugrünen Mantel anstarrte. »Du siehst gut aus. Ist das dein Zuhause?«
    Etwas bewegte sich hinter den Augen des Jungen; schaute hinaus und zog sich wieder zurück.
    »Ihr beiden kennt euch?«, fragte Fontaine.
    »Wir haben uns gestern Nacht kennengelernt«, sagte der Mann, »hier, auf der Brücke.«
    »Moment mal«, sagte Fontaine. »Hat er eine Armbanduhr von Ihnen gekriegt?«
    Der Mann drehte sich um und musterte Fontaine gelassen, ohne etwas zu sagen.
    Eine Woge von Schuldgefühlen überspülte Fontaine. »Ist schon okay«, sagte er. »Ich bewahr sie nur für ihn auf.«
    »Ich verstehe.«

    »Das ist ’ne tolle Uhr«, sagte Fontaine. »Wo haben Sie die her?«
    »Aus Singapur.«
    Fontaine schaute von dem glatten, hageren Wolfsgesicht des Mannes, der aller Wahrscheinlichkeit nach kein Musikprofessor war, zu dem ausdruckslosen, faltenlosen Gesicht des Jungen unter dessen neuer Frisur.
    »Wie ich sehe, haben Sie eine Schusswaffe in der Tasche«, sagte der Mann.
    »Bin so froh, euch alle zu sehen«, sagte Fontaine, aber niemand kapierte es.
    »Welches Kaliber?«
    »Zweiundzwanziger long rifle.«
    »Wie lang?«
    »Vier Zoll.«
    »Zielgenau?«
    »Ist nicht grade was für Präzisionsschützen«, sagte Fontaine, »aber für ’nen vierzölligen Lauf gar nicht so schlecht.« Das alles machte ihn überaus nervös, und er hätte die Waffe am liebsten in der Hand gehabt, aber er dachte, dass etwas passieren würde, wenn er sie anfasste. Irgendwas.
    »Geben Sie sie mir«, sagte der Mann.
    »Kommt gar nicht infrage«, erwiderte Fontaine.
    »Eine unbestimmte Anzahl bewaffneter Männer sind heute Nacht auf der Suche nach Mr Rydell. Sie würden ihn gern lebend fangen, um ihn zu befragen, aber sie würden ihn sicher töten, um seine Flucht zu verhindern. Sie werden jeden töten, den sie bei ihm antreffen.

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