Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
Flüchtling.«
»Ja?«
»Ja«, sagte Fontaine, »aber du weißt ja, wie das ist, wenn die Leute so was durchgemacht haben, diese ethnischen Säuberungen und so ’nen Scheiß …«
»Ja?«
»Na ja, die haben gern das Gefühl, dass sie sich schützen können, wenn was passiert.«
Rydell war eindeutig interessiert.
»Das Problem ist«, fuhr Fontaine fort, »dass die dort so ’ne Overkill-Mentalität haben. Und mein Anwalt, Martial, bei dem ist das auch so. Das heißt, er bemüht sich, das zu ändern, verstehst du? Ich hab ihm ’nen Therapeuten und so besorgt, damit er lernt, dass er ohne Knarre rumlaufen kann und nicht das Gefühl haben muss, er könnte jederzeit von Stammesfeinden weggepustet werden. Wir sind hier schließlich in Amerika, oder?«
»Ich glaube, Sie könnten auch hier in Amerika jederzeit von Stammesfeinden weggepustet werden, Mr Fontaine.«
»Das stimmt«, sagte Fontaine und verlagerte das Gewicht auf die andere Pobacke, »aber Martial hat da eben so ein posttraumatisches Dings, nicht?«
»Sie helfen ihm bei diesen Problemen? Sie helfen ihm, indem Sie eine Waffe für ihn aufbewahren, Mr Fontaine? Etwas, was er besser nicht in seinen eigenen Räumlichkeiten aufbewahren sollte?«
Fontaine sah Rydell an. Spitzte die Lippen. Nickte.
»Wo ist sie?«
»In der Wand hinter uns.«
Rydell sah die Wand zwischen ihnen an. »Ist das Sperrholz? «
»Größtenteils«, sagte Fontaine und schwang herum. »Siehst du das hier? Dieser Teil ist geflickt, mit Gipsspachtel. Wir haben hier einen Kasten angefertigt, ihn reingesetzt, verspachtelt und alles übermalt.«
»Mit ’nem Metalldetektor würde man sie vermutlich finden«, sagte Rydell und dachte an seine Ausbildung zurück, in der er gelernt hatte, solche Verstecke aufzuspüren.
»Ich glaub nicht, dass da viel Metall dran ist«, sagte Fontaine, »jedenfalls nicht in der Mechanik.«
»Können wir sie sehen?«
»Schon«, sagte Fontaine, »aber sobald wir sie draußen haben, sitz ich mit dem Ding da.«
»Nein«, sagte Rydell, »ich.«
Fontaine brachte ein kleines Taschenmesser mit Knochengriff zum Vorschein. Klappte es auf und fing an, behutsam an der Wand herumzukratzen.
»Wir könnten uns ein größeres Messer holen«, schlug Rydell vor.
»Pst«, sagte Fontaine. Vor Rydells Augen legte die Messerspitze einen dunklen Ring von einer Größe frei, wie man ihn am Finger tragen würde. Fontaine pulte ihn aus dem gehärteten Putz, aber er schien an etwas befestigt zu sein. »Du ziehst hier dran, okay?«
Rydell steckte den Mittelfinger durch den Ring und zog ein bisschen. Fühlte sich fest an.
»Nur zu«, sagte Fontaine. »Mit Kraft.«
Putz brach auf und bröckelte ab, als der dünne Stahldraht, der an dem Ring befestigt war, um die geflickte Stelle herum herausgezogen wurde und ihn wie trockenen Käse durchschnitt. Ein grobes, zwei, drei Zentimeter dickes Rechteck löste sich und fiel Rydell in die Hand. Fontaine zog etwas aus der freigelegten rechteckigen Vertiefung. Es
war in etwas eingewickelt, was wie ein altes grünes Hemd aussah.
Rydell beobachtete, wie Fontaine das grüne Stück Stoff behutsam abwickelte und einen gedrungenen, schweren Gegenstand freilegte, der wie eine Kreuzung zwischen den quadratischen Wachspapier-Milchkartons aus Rydells Kindheit und einem großen Elektrobohrer aussah. Es war von einem einheitlichen, staubigen Olivgrün, und wenn es wirklich eine Feuerwaffe war, dann die unhandlichste, die Rydell je gesehen hatte. Fontaine hielt sie so, dass jenes Ende, welches dem Oberteil des Milchkartons entsprach, in schrägem Winkel zur Decke zeigte. Am anderen Ende befand sich ein ungeschlacht wirkender Griff und ein gefurchtes, besenstielartiges Ding ungefähr achtzehn Zentimeter weiter vorn.
»Was ist das?«, fragte Rydell.
»Eine Chain Gun«, sagte Fontaine. »Einwegprodukt. Nicht nachladbar. Ohne Gehäuse: Dieses lange, quadratische Ding ist Patronen und Lauf in einem. Keine beweglichen Teile dran: elektrische Zündung. Zwei Knöpfe hier, wo sonst der Abzug wäre, man zielt einfach und drückt auf beide zugleich. Das macht sie viermal. Vier Ladungen.«
»Warum heißt das Ding Chain Gun?«
»Also, Martial sagt, das ist eher so was wie ’ne Granate, die nur in eine bestimmte Richtung explodiert, verstehst du? Oder so ’ne Art tragbare Splitterbombe. Hauptsache ist, hat er gesagt, man benutzt sie nicht in einem Innenraum, und überhaupt nur dann, wenn niemand vor einem steht, bei dem man nicht mitansehen will, wie er übel
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