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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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Erinnerung daran, wie sein Vater einmal trotz der heftigen Angst seiner Mutter mit ihm auf den Hof hinter einem Haus in der Küstenebene von Virginia hinausgegangen ist, um ihm das Auge eines Hurrikans zu zeigen.
    Und nach dem anfänglich wilden Zorn des Sturms rührt sich nichts in diesem Auge. Kein Vogel singt. Jeder Zweig an jedem blattlosen Baum steht absolut regungslos in der Luft, doch an der äußersten Grenze der Wahrnehmung ahnt man
vielleicht etwas von dem System, das einen umschließt. Irgendwas im Infraschallbereich; man fühlt es, man hört es nicht. Aber es wird wiederkommen. Das steht fest.
    Und so ist es auch jetzt, als er aufsteht und sich bewegt, als er den Jungen sieht, dessen Hände zitternd über den Tasten des Notebooks erstarrt sind, dessen Kopf noch immer unter dem alten Militärdatenhelm steckt. Und er denkt einen Moment, der Junge sei verletzt, aber er sieht kein Blut. Nur verängstigt.
    Er weiß, alle Schusswaffen sind dazu da, abgefeuert zu werden, und Rydell hat es bewiesen, indem er Martials Waffe abgefeuert hat, dieses hässliche russische Ding, diese bösartige Beute aus den Kombinatstaaten, die über Afrika hierhergekommen ist, aus Kriegen von erschreckender Stupidität, ethnischen Auseinandersetzungen, die wie luftlose Feuer in den Tiefen eines trockenen Sumpfes jahrhundertelang vor sich hin schwelen. Eine Waffe für jene, die man nicht im Schießen ausbilden kann.
    Der Gestank der Treibladung hinten im Hals, rau und chemisch. Eine Glasur aus Glasscherben unter seinen Schuhen.
    Rydell steht an der Tür, die klobige Chain Gun hängt an seiner Hand wie die Pistole eines Duellanten, und jetzt tritt Fontaine neben ihn, schaut auf die schmale, überdachte Fahrbahn der Brücke hinaus wie auf ein Tableau oder Diorama, und da drüben, gegenüber, dort glitzert alles rot. Obwohl man im Schatten sicher handfestere, substantiellere Indizien finden würde, Knochen und Knorpel vielleicht, und die automatische Waffe.
    »Chevette«, sagt Rydell, nicht zu ihr, sondern wie um sich selbst an sie zu erinnern, und er dreht sich um, geht mit knirschenden Schritten durchs Glas nach hinten, um sie zu suchen.
    Fontaine schaut mit zusammengekniffenen Augen zu dem eigenartigen roten Geglitzer hinüber, dem schmierigen Fleck, in den jemand sich so abrupt verwandelt hat,
und erhascht eine Bewegung hoch oben im Randbereich seines Blickfelds. Silber.
    Er zuckt zusammen, aber es ist ein Ballon, eine kissenartige Oblate aus aufgeblasenem Mylar mit kleinen, vergitterten, schwenkbaren Propellern und einer Kamera, wie es scheint. Sie schwebt heran, bis sie auf der Höhe der Fassade seines Ladens ist, bremst sich mit rückwärts laufenden Propellern und dreht sich dann elegant, so dass das Objektiv auf ihn herabschaut.
    Fontaine blickt zu dem Ding hinauf und fragt sich, ob es über die nötigen Utensilien verfügt, ihm etwas zu tun, aber da es einfach nur dahängt und glotzt, dreht er sich schließlich um und lässt den Blick über die Schäden schweifen, die sein Laden davongetragen hat. Was einem sofort ins Auge springt, ist das ganze zu Bruch gegangene Glas, die Einschläge selbst sind nicht so deutlich sichtbar. Zwei Kugeln haben jedoch ein rundes, emailliertes Coke-Schild durchschlagen, das vorher mit achtzig Prozent bewertet worden wäre, aber jetzt kaum mehr »sehr gut« ist.
    Es ist der Tresen, der ihn anzieht, obwohl er Angst davor hat, was er dort vorfinden wird: seine Armbanduhren unter Glasscherben, wie Fische in einem zertrümmerten Aquarium. Er klaubt eine Gruen »Curvex« an ihrem Krokoimitatarmband auf und stellt fest, dass sie nicht tickt. Er seufzt.
    Clarisse liegt ihm seit einiger Zeit in den Ohren, dass er sich einen feuersicheren Safe anschaffen soll, in dem er seine wertvolleren Stücke über Nacht deponieren kann. Hätte er das getan, würden die Uhren noch ticken. Aber die hier tickt noch, der Doxa-Chronometer mit dem leicht korrodierten Zifferblatt, eins seiner Lieblingsstücke, das die Kunden immer wieder übersehen. Er hält ihn ans Ohr und hört das Geräusch eines Mechanismus, der Jahre vor seiner Geburt zusammengebaut wurde.
    Doch was er nun sieht, wird Clarisse noch unglücklicher machen: Ihre Another-One-Babys liegen auf einem wirren
Haufen, wie auf einem Boulevardzeitungsfoto von einer namenlosen Gräueltat, und aus ihren kaputten Köpfen und Rümpfen sickert Silikon (was entweder eine Flüssigkeit ist, die sich wie eine feste Masse verhält, oder umgekehrt, Fontaine kann sich nie

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