Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
alt; Anfang zwanzig vielleicht. Billige Klamotten, wie Zeug aus dem Supermarkt, alle nass. Hellbraune Haare, zu kurz geschnitten, aber nicht kurz genug. Sie sah, wie ein Muskel an seinem Kiefer arbeitete, als würde er Kaugummi kauen, was er aber nicht tat.
»Wo fahren wir hin?«, fragte sie ihn.
»Keine Ahnung, verdammt«, sagte er und gab dem Motor ein bisschen Zunder. »Du hast doch ›links‹ gesagt …«
»Wer bist du?«
Er warf einen Blick zu ihr herüber. »Rydell. Berry Rydell.«
» Barry? «
»Berry, mit e. Wie Beere. He, das ’s aber ’ne große Straße, verdammt, mit Ampeln und allem …«
»Rechts hier.«
»Okay«, sagte er und zögerte. »Warum?«
»Haight Ashbury. ’n Haufen Leute, die noch spätnachts auf den Beinen sind, und die Cops gehen da nicht gern hin …«
»Kann man den Wagen da loswerden?«
»Wenn du ihm zwei Sekunden lang den Rücken zudrehst, ist er futsch.«
»Gibt’s da Geldautomaten?«
»Mh-mh.«
»Aber hier ist einer …« Auf den Bordstein rauf, und Scherben von rissigem Sicherheitsglas fielen aus dem Rahmen, wo die Heckscheibe gewesen war. Das hatte sie nicht mal bemerkt.
Er holte eine triefnass aussehende Brieftasche aus seiner Gesäßtasche und zog Karten heraus. Drei Stück. »Ich muss zusehen, dass ich an ’n bisschen Bargeld rankomme«, sagte er. Er sah sie an. »Wenn du aus dem Wagen springen und abhauen willst«, er zuckte die Achseln, »dann tu’s ruhig.« Dann langte er in seine Jackentasche und holte die Brille und Codes’ Telefon heraus, das sie sich geschnappt hatte, als das Licht im Dissidenten ausgegangen war. Sie wusste nämlich von Lowell, dass Leute, die in Schwierigkeiten sind, ein Telefon brauchen, und zwar meistens dringender als alles andere. Er ließ ihr beides in den Schoss fallen, die Brille des Arschlochs und das Telefon. »Deins.«
Dann stieg er aus, ging zu dem Geldautomaten rüber und fütterte ihn mit den Karten. Sie saß da, sah zu, wie der Automat aus seiner Panzerung herauskam, wie diese Dinger es immer taten, scheu und vorsichtig; seine Kameras kamen ebenfalls heraus, um die Transaktion zu überwachen. Der Typ stand da und trommelte mit den Fingern auf den Rand, den Mund gespitzt, als ob er pfeifen würde, ohne jedoch einen Laut von sich zu geben. Sie schaute auf das Etui und das Telefon runter und fragte sich, warum sie nicht einfach raussprang und abhaute, wie er gesagt hatte.
Schließlich kam er zurück, zählte mit dem Daumen einen Packen Geldscheine durch, steckte ihn in die vordere Tasche seiner Jeans und stieg ein. Er ließ die erste seiner Karten durch das offene Fenster zum Geldautomaten hinübersegeln, der sich wie eine Krabbe in sein Gehäuse zurückzog. »Keine Ahnung, wie sie die Dinger so schnell gesperrt haben, nachdem du das Ding da durch Freddies Laptop gerammt hast.« Er warf eine weitere weg. Dann die letzte. Sie lagen vor dem Geldautomaten, als dessen Lexanschild herunterfuhr, und ihre kleinen Hologramme blinkten in die Halogenlampen der Maschine hinauf.
»Die wird sich jemand holen«, sagte sie.
»Hoffentlich«, sagte er, »hoffentlich holen sie sich die Dinger und verschwinden damit zum Mars.« Dann machte er irgendwas im Rückwärtsgang mit allen vier Rädern, und der Ford sprang praktisch hoch und dann nach hinten auf die Straße, und ein anderer Wagen schlitterte an ihnen vorbei, nichts als kreischende Bremsen und blökende Hupe, der Mund des Fahrers ein schwarzes O, und dem Teil von ihr, der noch eine Botin war, gefiel das irgendwie. Andauernd war sie von denen geschnitten worden. »Shit«, sagte er, rührte in der Gangschaltung rum, bis er hatte, was er brauchte, und los ging’s.
Die Handschelle rieb auf dem Ausschlag, wo der rote Wurm gewesen war. »Bist du ’n Cop?«
»Nein.«
»Security? Vom Hotel oder so?«
»Mh-mh.«
»Also«, sagte sie, »was bist du?«
Straßenlicht glitt über sein Gesicht. Es sah aus, als ob er darüber nachdächte. »Jemand, der in der Scheiße sitzt. Und zwar bis zum Hals.«
26 COLORED PEOPLE
Das Erste, was Rydell sah, als er in der Gasse, die von der Haight Street abging, aus dem Patriot stieg, war ein einarmiger, einbeiniger Mann auf einem Skateboard. Der Mann lag bäuchlings auf dem Brett und stieß sich mit merkwürdigen ruckhaften Bewegungen vorwärts, die Rydell an das hilflose Rudern eines aufgespießten Froschs erinnerten. Er besaß noch den rechten Arm und das linke Bein, was immerhin für eine gewisse Symmetrie sorgte, aber an dem Bein war kein Fuß.
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