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Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties

Titel: Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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den Daumen auf beide Ränder des Bildschirms. Er schnappte wieder ein, aber ob er noch funktionierte? Yamasaki bückte sich, um einen Blick auf die winzigen Sensoren zu werfen. EIN.
    Zitronengelbe und purpurrote Diagonalen jagten einander über den Bildschirm, verblassten dann und gaben den Blick auf irgendein Steadycam-Fragment frei. Das NHK-Logo war unten links in der Ecke zu sehen. »… der gesetzliche Erbe des Vermögens von Harwood Levine, das dieser mit seiner PR- und Werbefirma gemacht hatte, reiste heute Nachmittag aus San Francisco ab, angeblich nach einem mehrtägigen Aufenthalt. Er wollte keinen Kommentar zum Zweck seines Besuchs abgeben.« Ein langes Gesicht, pferdeartig, aber trotzdem gut aussehend, über dem hochgeklappten Kragen eines Regenmantels. Ein breites, weißes Lächeln. »Begleitet wurde er« – Aufnahme auf mittlere Entfernung in einem Flughafenkorridor, eine schlanke, dunkelhaarige Frau in etwas Luxuriösem und Schwarzem, aufblitzendes Silber an den Absätzen ihrer glänzenden Stiefel — »von der
aus Film und Fernsehen bekannten Padanierin Maria Paz, der Tochter des Filmregisseurs Carlo Paz …«. Die unglücklich aussehende Frau verschwand und wurde von Infrarotaufnahmen aus Neuseeland ersetzt, wo japanische Friedenstruppen in Panzerfahrzeugen auf einen ländlichen Flughafen vorrückten. »… hat die verbotene South Island Liberation Front angeblich schwere Verluste erlitten, während in Wellington …« Yamasaki versuchte, den Kanal zu wechseln, aber der Bildschirm gab nur sein zitronengelbes und purpurrotes Geflacker von sich und formte dann ein Porträt von Shapely. Ein dokumentarischer Spielfilm der BBC. Ruhig, seriös, ein wenig hypnotisch. Nach zwei weiteren erfolglosen Versuchen, einen anderen Kanal zu finden, gab sich Yamasaki geschlagen, und der britische Kommentar übertönte den Wind, das Ächzen der Trossen und das Knarren der Sperrholzwände. Er konzentrierte sich auf die bekannte Geschichte mit dem feststehenden Ende, das etwas Tröstliches hatte – wenn auch nur wegen seiner Gewissheit.
    James Delmore Shapely hatte in den ersten Monaten des neuen Jahrhunderts die Aufmerksamkeit der AIDS-Industrie auf sich gezogen. Er war einunddreißig Jahre alt, ein Stricher und seit zwölf Jahren HIV-positiv. Zum Zeitpunkt seiner »Entdeckung« durch Dr. Kim Kutnik in Atlanta, Georgia, saß Shapely gerade eine zweihundertfünfzigtägige Haftstrafe wegen Aufforderung zur Unzucht ab. (Die Tatsache, dass er HIV-positiv war, was automatisch zu erheblich schwereren Anklagen geführt hätte, war anscheinend »übersehen« worden.) Frau Kutnik, eine Forscherin der Sharman-Gruppe, einer amerikanischen Filiale von Shibata Pharmaceuticals, sichtete medizinische Daten aus Gefängnissen auf der Suche nach Personen, die seit mehr als einem Jahrzehnt HIV-positiv waren, jedoch keine Krankheitssymptome aufwiesen und eine vollständig normale (oder, wie in Shapelys Fall, über der Norm liegende) T-Zellen-Zahl hatten.

    Einer der Forschungsansätze der Sharman-Gruppe richtete sich auf die Möglichkeit, mutierte HIV-Arten zu isolieren. Mit dem Argument, dass Viren den Gesetzen der natürlichen Auslese gehorchten, hatten mehrere Sharman-Biologen die These vertreten, das HIV-Virus in seiner damals aktuellen genetischen Form sei übermäßig tödlich. Wenn es sich unkontrolliert ausbreiten könne, argumentierte das Sharman-Team, müsse ein Virus, das eine Letalität von hundert Prozent aufweise, schließlich zur Ausrottung seines Wirtsorganismus führen. (Andere Sharman-Forscher konterten mit dem Verweis auf die lange Inkubationszeit, die zum Überleben der Wirtspopulation beitrüge.) Die BBC-Autoren legten großen Wert darauf, klarzumachen, dass die Idee, nicht pathogene HIV-Arten zwecks Überwältigung und Neutralisierung letaler Arten aufzuspüren, bereits eine Dekade früher aufs Tapet gebracht worden sei, dass die »ethischen« Implikationen des Experimentierens mit menschlichen Versuchspersonen die Forschung jedoch behindert hätten. Die zentrale Beobachtung der Sharman-Forscher datierte von dieser Vorarbeit her: Das Virus möchte überleben, was es nicht kann, wenn es seinen Wirt tötet. Die Mitglieder des Sharman-Teams, zu dem Dr. Kutnik gehörte, wollten nun HIV-positiven Patienten das Blut von Personen injizieren, die ihrer Ansicht nach mit nicht pathogenen Arten des Virus infiziert waren. Sie hielten es für möglich, dass die nicht pathogene Art den Sieg über die letale Art davontragen würde.

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