Idoru-Trilogie - Gibson, W: Idoru-Trilogie - Virtual Light/Idoru/All Tomorrow´s Parties
gegangen und nicht zurückgekommen war, hatte ein paar Tätowierungen gehabt. Die beste zog sich über seinen ganzen Rücken, ein großer, spiralförmiger Drache mit Hörnern und einem irgendwie dämlichen Grinsen. Den hatte er sich in Korea verpassen lassen, acht Farben, und alles war von einem Computer gemacht worden. Er hatte Rydell erzählt, wie der Computer seinen Rücken vermessen und ihm genau gezeigt hatte, wie es aussehen würde, wenn es fertig war. Dann hatte er auf diesem Tisch liegen müssen, während der Roboter die Tätowierung anbrachte. In Rydells Vorstellung hatte der Roboter gewisse Ähnlichkeit mit einem Staubsauger gehabt, nur dass er verdrehte Chromarme besaß, die in Nadeln endeten. Aber sein Onkel sagte, es sei eher so, als ob man durch einen Nadeldrucker gezogen würde, und er hätte achtmal durchgemusst, einmal für jede Farbe. Es war aber ein großer Drache, und viel bunter als die Tätowierungen auf den Armen seines Onkels, weißköpfige Seeadler mit ausgebreiteten Schwingen wie im Staatswappen und ein Harley-Schriftzug. Wenn sein Onkel im Garten mit Rydells Hanteln trainierte, konnte Rydell zusehen, wie sich der Drache wellenförmig bewegte.
Dieser fette, glatzköpfige Typ mit den Gewichten an den Brustwarzen hatte überall Tätowierungen, außer an den Händen und am Kopf. Es sah aus, als hätte er einen Anzug an. Sie waren ganz anders, keine Wappenadler oder Harley-Schriftzüge, und sie liefen irgendwie ineinander. Rydell wurde beinahe schwindlig vom Hinsehen, deshalb schaute er zur Wand hinauf, die mit weiteren Tätowierungen bedeckt war, wohl Beispiele, aus denen man sich was aussuchen konnte.
»Du warst doch schon mal hier«, sagte der Mann.
»Ja«, erwiderte Chevette Washington, »mit Lowell. Erinnerst du dich an Lowell?«
Der fette Mann zuckte die Achseln.
»Mein Freund und ich«, sagte sie, »wir wollen uns was aussuchen …«
»Deinen Freund hab ich noch nie gesehen«, sagte der fette Mann mit vollendeter Höflichkeit, aber Rydell konnte die Frage in seiner Stimme hören. Sein Blick ruhte auf Rydells Koffer.
»Schon okay«, beruhigte sie ihn, »er kennt Lowell. Ist auch ’n Typ von Tand drüben.«
»Ihr Brückenleute«, sagte der Fette, als ob er die Brückenleute mögen würde. »Dieses Unwetter war einfach schrecklich , was? Hoffentlich hat’s bei euch nicht so viel Schaden angerichtet … Letzten Monat hatten wir hier einen Kunden, der eine Cibachrome-Panoramaaufnahme mitbrachte, die er sich auf den Rücken machen lassen wollte. Euren ganzen Brückenbogen mit allem drauf. Tolle Aufnahme, aber er wollte sie genau in der gleichen Größe, und dafür war er einfach nicht breit genug …« Er hob den Blick und sah Rydell an. »Bei deinem Freund hier wär’s gegangen …«
»Könnte er sie nicht kriegen?«, fragte sie, und Rydell fiel dieser Instinkt auf, die Leute reden zu lassen, um den Kontakt mit ihnen aufrechtzuerhalten.
»Wir von Colored People bieten den kompletten Service«, erklärte der Fette. »Lloyd hat sie in eine Grafikmaschine eingegeben, sie um dreißig Grad gedreht und die Perspektive erhöht, und jetzt sieht’s grandios aus … Also, bist du an Schnappschüssen für dich selbst interessiert, oder soll’s was für deinen großen Freund hier sein?«
»Ähm … eigentlich suchen wir was für uns beide«, antwortete Chevette. »Was zusammenpasst, verstehst du?«
Der Fette lächelte. »Das ist aber romantisch …«
Rydell sah sie an.
»Hier entlang.« Der Fette klingelte irgendwie beim Gehen, und Rydell zuckte zusammen. »Kann ich euch komplementären Tee bringen?«
»Kaffee?«, fragte Rydell hoffnungsvoll.
»Tut mir leid«, sagte der Fette, »aber Butch ist um zwölf gegangen, und ich kenn mich mit der Maschine nicht aus. Aber ich kann euch guten Tee bringen.«
»Ja«, sagte Chevette und schubste Rydell mit kleinen Ellbogenstößen weiter, »Tee.«
Der Fette führte sie durch einen Flur und in einen kleinen Raum mit ein paar Wandbildschirmen und einem Ledersofa. »Ich hol euch eben euren Tee«, sagte er und schlurfte klingelnd davon.
»Warum hast du das mit den passenden Tätowierungen gesagt?« Rydell sah sich in dem Raum um. Sauber. Leere Wände. Weiches Licht, aber keine Schatten.
»Weil er uns allein lassen wird, während wir uns hier eine aussuchen, und weil wir so lange brauchen werden, um uns zu entscheiden.«
Rydell stellte seinen Samsonite ab und setzte sich aufs Sofa. »Dann können wir also hierbleiben?«
»Ja, solange wir
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