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Idoru

Idoru

Titel: Idoru Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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ihre Entscheidungen gemeinsam trafen und Yamasaki beschlossen hatte, sich auf ihre Seite zu schlagen, was hieß das dann für ihn? Er glaubte kaum, daß Blackwell eines Tages mit der Erkenntnis aufwachen würde, was für eine wunderbare Idee die Verbindung von Rez und Rei war. Soweit es Blackwell betraf, versuchte Rez nach wie vor nur, einen Software-Agenten zu heiraten – was immer das letztlich bedeuten mochte.
    Aber Laney wußte jetzt, daß die Idoru komplexer und mächtiger war als jede synthetische Hollywood-Schauspielerin.
    Erst recht, wenn Kuwayama die Wahrheit sagte und die Videos ihre ›Träume‹ waren. Laneys Wissen über künstliche Intelligenz stammte von seiner Arbeit an einer Slitscan-Episode, die das unglückliche Privatleben eines führenden Forschers auf diesem Gebiet dokumentiert hatte, aber er wußte, daß es offenbar noch nie gelungen war, echte KI zu erschaffen, und daß aktuelle Versuche angeblich in ganz andere Richtungen gingen, als Software zu kreieren, die gut darin war, schöne junge Frauen zu spielen.
    Falls es irgendwann echte KI geben sollte, so die These, dann würde sie sich höchstwahrscheinlich auf eine Weise entwickeln, die zuallerletzt etwas mit der Vorspiegelung zu tun -283—hatte, sie wäre menschlich. Laney erinnerte sich an eine Aufzeichnung eines Vortrags, in dem der Wissenschaftler, um den es in der Slitscan-Episode gegangen war, die Ansicht geäußert hatte, die KI könnte zufällig erschaffen werden, und die Menschen würden sie anfangs vielleicht gar nicht als solche erkennen.
    Arleigh machte die Tür auf der Fahrerseite auf und stieg ein.
    »Tut mir leid, daß es so lange dauert«, sagte sie.
    »Darauf wart ihr ja nicht vorbereitet«, sagte Laney.
    »Es liegt nicht an der Software, sondern an der Muffe eines Glasfaserkabels. Einem Kabelende. Sie haben ein anderes Ringmaß, das auch die Franzosen benutzen.« Sie schloß die Hände oben ums Lenkrad und legte das Kinn drauf. »Da gehen wir nun locker mit solchen riesigen Informationsmengen um, aber wir haben nicht das richtige Kabel, um sie durchzuleiten.«
    »Kriegt ihr’s denn hin?«
    »Shannon hat eins in seinem Zimmer. Wahrscheinlich an einem Pornogerät, aber das wird er nicht zugeben.« Sie sah ihn von der Seite an. »Shannon hat einen Freund im Sicherheitsteam. Sein Freund sagt, daß Blackwell einen der Männer ›befragt‹ hat, die heute abend versucht haben, sich Rez zu schnappen.«
    »Auf den hatten sie’s also abgesehen? Auf Rez?«
    »Scheint so. Sie sind vom Kombinat, und sie behaupten, Rez hätte sich was angeeignet, was ihnen gehört.«
    »Und was soll er sich angeeignet haben?«
    »Das wußte er nicht.« Sie schloß die Augen.
    »Was meinen Sie, was mit ihm passiert ist? Mit dem, den Blackwell befragt hat?«
    »Weiß ich nicht.« Sie öffnete die Augen und richtete sich auf.
    »Und irgendwie glaub ich auch nicht, daß wir’s erfahren werden.«
    -284-
    »Kann er das? Leute foltern und umbringen?«
    Sie sah Laney an. »Na ja«, sagte sie schließlich, »es verschafft ihm einen gewissen Vorteil, wenn er uns glauben macht, daß er’s könnte. Fakt ist, daß er so was in seinem früheren Beruf getan hat. Wissen Sie, was mir an Blackwell am meisten angst macht?«
    »Was?«
    »Manchmal ertappe ich mich dabei, daß ich mich an ihn gewöhne.«
    Shannon klopfte an die Tür neben ihr. Hielt ein Stück Kabel hoch.
    »Wir wären dann soweit«, sagte sie zu Laney, öffnete die Tür und rutschte vom Fahrersitz.
    Laney schaute durch die getönte Windschutzscheibe auf die Betonwand und erinnerte sich daran, wie er mit Shaquille und Kenny, zwei anderen aus dem Waisenhaus, die Treppe draußen vor dem Stadtgericht in Gainesville gesäubert hatte. Shaquille hatte zusammen mit Laney am Arzneimitteltestprogramm teilgenommen, aber Kenny war in eine andere Einrichtung in der Nähe von Denver verlegt worden. Laney hatte keine Ahnung, was aus den beiden geworden war, aber es war Shaquille gewesen, der Laney erklärt hatte, daß man einen Geschmack wie von verrottetem Metall – Aluminium oder so – im Mund hatte, wenn das echte Zeug in der Spritze drin war.
    Pla- zee -bo, hatte Shaquille gesagt, schmeckt nach nix. Und das stimmte. Man merkte es sofort.
    Sie alle drei hatten dort Arbeitseinsätze gemacht, fünf-oder sechsmal, und die Opfergaben aufgesammelt, die manche Leute vor ihrem Gerichtstermin hinlegten. Diese Opfergaben galten als gesundheitsgefährdend und wurden meist gut versteckt, und man fand sie oft am Geruch oder

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